KKH-Chef

"Hälfte aller Arztbesuche ist überflüssig"

Nicht zu wenig Ärzte, sondern zu viele Arztkontakte. KKH-Chef Kailuweit löst Protest der KBV aus.

Veröffentlicht:

BERLIN/HANNOVER. Eine holzschnittartige Kurzmeldung der "Bild"-Zeitung hat am Mittwoch eine Kontroverse zwischen dem Vorstandschef der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Ingo Kailuweit, und dem KBV-Vorsitzenden Dr. Andreas Gassen ausgelöst.

"Hälfte aller Arztbesuche ist überflüssig", hieß es in der "Bild" unter Berufung auf Kailuweit. Patienten würden falsch behandelt, Hausärzte überwiesen zu spät an Fachärzte.

Problem Multimedikation

Auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" zum Hintergrund dieser Kritik erklärte die KKH: Nach Zahlen der OECD gebe es pro Kopf der Bevölkerung in Deutschland jährlich zehn Arztkontakte &#0150 weit über dem OECD-Durchschnitt von 6,6.

Die Gesundheitskarte könne helfen, die Transparenz zu verbessern, die Versorgungsqualität zu steigern und Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Nach den der Kasse vorliegenden Daten erhalten 20 Prozent der Versicherten fünf oder mehr Medikamente parallel.

25 Prozent der Arzneimittel, die ältere Patienten bekommen, seien für diese nicht geeignet, wobei sich die KKH auf die Priscus-Liste stützt. Das führe zu Folgeerkrankungen und Nebenwirkungen, die mit zusätzlichem Kostenaufwand ambulant oder stationär behandelt werden müssten.

Aus diesem Grund sei der Medikationsplan ein wichtiges Instrument, um die Behandlungsqualität zu verbessern.

Darüber hinaus gelte es, die Hausarztpraxis zur Schaltstelle im Gesundheitssystem auszubauen. Für Versicherte, die sich in den Hausarztvertrag der KKH einschreiben, sei ihr Hausarzt stets erster Anlaufpunkt.

Er überweise rechtzeitig an Fachärzte, die ihm laufend die Berichte über Befunde, Therapien und Arzneiverordnungen übermitteln. Fachärzte wiederum geben ihre Patienten mit positivem Behandlungsverlauf an die Hausärzte zurück. So entstünden keine Wartezeiten und keine Doppeluntersuchungen.

Patientensteuerung gefordert

Die Kasse hat aber auch festgestellt, dass Patienten mehrere Fachärzte &#0150 offenbar unkoordiniert &#0150 aufsuchen, weil sie mit der Behandlungsqualität unzufrieden seien. Die Politik müsse dies erkennen und eine Qualitätsdebatte führen. Das ist kein Widerspruch zu den Intentionen der KBV.

"Wir müssen dringend über eine Steuerung der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sprechen", ließ KBV-Chef Gassen auf Kailuweits Äußerungen in "Bild" verbreiten. Das entspreche dem Programm "KBV 2020". Gassen fügt kritisch hinzu: Einzelne Kassen trieben die Zahl der Arztkontakte hoch, indem sie offensiv die Einholung von Zweitmeinungen bewerben.

Die Ärzte selbst hätten kein Interesse an einer steigenden Fallzahl &#0150 schon jetzt werde jeder zehnte Fall nicht vergütet. (HL)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Abrechnung

SpiFa meldet sich zu Hybrid-DRG

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert