Kodier-Schummelei

Lebhaftes Echo auf "Beichte" des TK-Chefs

"Upcoding" ist also doch Alltag: Nach der Selbstanklage des TK-Chefs werden Konsequenzen gefordert.

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BERLIN. Ein Kassenchef sorgt für Wirbel. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hat TK-Chef Jens Baas Manipulationen eingestanden.

Ärzte würden durch Prämien dazu gebracht, so zu diagnostizieren, dass es sich für die Kassen auszahle. Von diesem System profitierten vor allem die regional geöffneten Kassen.

Die somit indirekt angesprochenen AOKs haben am Montag scharf reagiert. "Dieser Rundumschlag gegen Ärzte, Aufsichten und Krankenkassen vom Chef der größten Krankenkasse erstaunt alle", sagte AOK-Bundesverbandsvorsitzender Martin Litsch.

Tatsächlich handele es sich dabei um eine "vorgezogene Halloween-Aktion". Litsch warf Baas vor, mit seinem Ausfall gesetzliche Änderungen am Finanzausgleich der Kassen untereinander provozieren zu wollen – und zwar zu Gunsten seiner eigenen Kassenart.

Der Essener Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem forderte umgehend Konsequenzen. "Die Aufsichtsbehörden der Krankenkassen sind zuständig und müssen Verstöße konsequent aufdecken und verfolgen", sagte er den "Ruhr Nachrichten". Er sprach von einer "rechtlichen Grauzone" und verlangte "klare und bundesweit einheitliche Bewertungsmaßstäbe".

Baas machte deutlich, dass regionale Kassen diese Schummelei besonders intensiv betrieben. "Sie bekommen 2016 voraussichtlich eine Milliarde Euro mehr (über den Risikostrukturausgleich) als sie für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen."

Baas meint dabei offenbar die Kassen der AOK. Aber auch seine Kasse könne sich dem nicht entziehen, räumte der TK-Chef ein.Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes schob niedergelassenen Ärzten eine Mitverantwortung zu. Sie hätten die Einführung einer Kodierungspflicht für Diagnosen boykottiert, sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, würdigte Baas Vorstoß als "wichtig und mutig". Reinhardt appellierte an KBV und GKV-Spitzenverband, ein sinnvolles Instrument wie den Morbi-RSA so einzusetzen, dass seine Intention nicht ad absurdum geführt werde.

Der Verband kommunaler Krankenhäuser hält den Vorgang für justitiabel. Die Staatsanwaltschaften müssten eingeschaltet werden, forderte eine Sprecherin am Montag. (af/dpa)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ein Skandal, der keiner ist

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