Debatte

Bürgerversicherung – wenigstens im Norden

In Schleswig-Holstein debattiert der Landtag die künftige Finanzierung des Gesundheitswesens – auch wenn er nicht zuständig ist.

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KIEL. Der Norden will die Bürgerversicherung – zumindest fordern vier der aktuell sechs Landtagsparteien in Schleswig-Holstein diesen Paradigmenwechsel im Finanzierungssystem des Gesundheitswesens. Die Landesregierung will sich dafür nun auf Bundesebene einsetzen und zugleich die Abschaffung des Zusatzbeitrags in der GKV fordern.

SPD-Landeschef Ralf Stegner geht sogar noch weiter: "Ohne Bürgerversicherung sollte die SPD sich an keiner Koalition im Bund mehr beteiligen", so der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. Er hält den aktuellen Zusatzbeitrag für "verteilungspolitisch ungerecht und ordnungspolitisch falsch" und spricht von einem "Beitrag zur zunehmenden Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung".

Stegner erwartet aber nicht nur "vollständige Parität", sondern auch die Bürgerversicherung. Er begründet den Vorstoß aus dem Norden mit einer aus seiner Sicht notwendigen breiteren Finanzierungsbasis für das Gesundheitswesen. Neben der Einbeziehung sämtlicher Bürger will er bei der Beitragsbemessung außer dem Erwerbseinkommen auch Kapital berücksichtigt wissen und die Beitragsbemessungsgrenze "im Idealfall gänzlich abschaffen".

Unterstützung erhielt Stegner in einer Landtagsdebatte aus den Reihen der Kieler Koalitionspartner SSW und Grüne sowie von den Piraten. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, die Ärztin Dr. Marret Bohn, glaubt nicht, dass das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung dauerhaft funktionieren wird. "Fragen Sie mal ältere Privatpatienten, wie hoch ihre Beiträge sind", sagte Bohn.

Ihr SSW-Kollege Flemming Meyer sieht im Wettbewerb der Krankenkassen eine negative Entwicklung: "Für Versicherungen tritt das Ziel, möglichst junge und gesunde Kunden zu binden in den Vordergrund."

Der frühere Landesgesundheitsminister Heiner Garg (FDP) nahm die Landtagsdebatte als "zielsicher am zentralen landespolitischen Problem vorbei" wahr. Er sprach von "purer gesundheitspolitischer Heuchelei", weil dieses Thema im Land nicht entschieden wird. Garg empfahl der Küstenkoalition, sich stattdessen um die Gesundheitsversorgung zu kümmern: "Keine einzige Idee und kein einziges Konzept hierzu in viereinhalb Jahren", bilanzierte Garg.

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Karsten Jasper, erinnerte die Regierungskoalitionen daran, dass 2004 die rot-grüne Bundesregierung den zusätzlichen Beitrag von 0,9 Prozent beschlossen hatte. Damals sahen die beiden Parteien darin noch einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Mit der jetzt entfachten Debatte, vermutet Jasper, wollen SPD, Grüne und SSW eine "wirtschaftlich notwendige Weichenstellung der vergangenen Jahre zurückdrehen und mit einheitlichen Beiträgen jeden Wettbewerb zwischen den Kassen ersticken" – mit dem Ziel der Bürgerversicherung. "Wir wissen aber aus anderen Ländern, dass eine Einheitsversicherung kein besseres Gesundheitswesen schafft", warnte Jasper. (di)

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