Gesundheitsreport

Bei immer mehr Azubis streikt die Psyche

Der Gesundheitsreport der Techniker Kasse belegt: Auszubildende sind viel häufiger krank als gedacht. Besonders stark zugenommen haben psychische Erkrankungen. TK-Chef Baas vermutet den Medienkonsum als eine Ursache.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Besser unter Aufsicht? Immer mehr Auszubildende entwickeln psychische Krankheiten.

Besser unter Aufsicht? Immer mehr Auszubildende entwickeln psychische Krankheiten.

© Robert Kneschke / stock.adobe.com

BERLIN. Jung und gesund – dahinter setzt der neue Gesundheitsreport der Techniker Kasse ein Fragezeichen. Denn obwohl Auszubildende geringere Fehlzeiten als die Gesamtheit der Versicherten aufweisen, zeigt sich TK-Vorstandsschef Dr. Jens Baas "beunruhigt" über die Ergebnisse: Seit dem Jahr 2000 sind die Fehlzeiten der Lehrlinge aufgrund von psychischen Erkrankungen um 108 Prozent gestiegen. Über alle Altersgruppen hinweg fällt der Anstieg mit 88 Prozent nicht so stark aus.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Die Kasse hat sich für den Report, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde, die Versorgungsdaten von 187.000 Azubis im Alter von 16 bis 25 Jahren angeschaut. Dr. Thomas Grube vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua) in Göttingen hat für die Kasse auch die Entwicklung der Arzneiverordnungen analysiert. Auch hier zeigen sich die größten Zuwächse bei Medikamenten zur Behandlung des Nervensystems.

In Tagesdosen (DDD) gemessen nahmen hier die Verordnungen je versichertem Azubi von 4,2 DDD im Jahr 2004 auf 10,1 DDD im vergangenen Jahr zu. Rezeptiert wurden im vergangenen Jahr besonders häufig Antidepressiva (4,41 DDD) und Psychostimulanzien (2,65 DDD). Ganz überwiegend handelte es sich dabei um den Wirkstoff Methylphenidat (2,34 DDD), berichtet Grube.

"Wir können aus unseren Routinedaten keine Kausalzusammenhänge ableiten", sagte TK-Chef Baas. Es lohne sich aber zu untersuchen, wie sich der Lebensalltag der Betroffenen verändert hat und welchen Einfluss dies auf die Gesundheit der Azubis hat. "Wir müssen uns um die Gesundheit der jüngsten Arbeitnehmergruppe mehr kümmern", folgerte Baas.

Jeder Anstieg der Prävalenz spiegele auch eine wachsende Akzeptanz bestimmter Erkrankungsbilder in der Gesellschaft wider, sagte Dr. Volker Busch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Lehrstuhl der Universität Regensburg. Diese "Verwässerung" der Statistik sei nicht zu vermeiden. Busch sieht in dem Medienkonsum der Generation "Always on" einen Grund für den hohen Stresslevel – "Offlinephasen" für die Regeneration kämen zu kurz.

In dem Film "Digital ins Berufsleben, den die TK bei Filmemacher Holger Braack in Auftrag gegeben hat, wird die Bedeutung von Medienkompetenz im Ausbildungsalltag vermittelt. Der Film wendet sich an Schulabgänger, Eltern und Ausbilder.

Die Fehlzeiten der Azubis sind zwar mit 11,5 AU-Tagen im Vorjahr geringer als die der Beschäftigten aller Altersgruppen (14,8 Tage). Doch so gering wie angenommen ist der Krankenstand nicht: Erst die Altersgruppe der über 40-Jährigen weist höhere Fehltage auf als Azubis.

Auffällig ist auch die hohe Zahl der Krankschreibungen bei kurzer Falldauer. Auf 100 Azubis kommen pro Jahr 201 gelbe Scheine, im Schnitt sind es nur 122 Krankschreibungen. Allerdings fehlen Lehrlinge im Durchschnitt nur knapp sechs Tage, knapp halb so lang wie alle Beschäftigten. Oben auf der Liste der Gründe für AU-Tage stehen Atemwegserkrankungen sowie Vergiftungen und Verletzungen – letztere vor allem bei Männern. Doch bereits Rang 3 nehmen psychische Erkrankungen ein.

Gesundheitsreport der Techniker Kasse

» 215.000 Auszubildende waren vergangenes Jahr bei der TK versichert. Untersucht hat die Kasse Versorgungsdaten von 187.000 Versicherten zwischen 16 bis 25 Jahren.

» Bezogen auf den Zeitraum von 2000 bis 2016 sind die Fehlzeiten von Azubis bei vielen Diagnosen in den vergangenen 16 Jahren gesunken.

» Bei psychischen Störungen ergibt sich ein Anstieg um 108 Prozent seit dem Jahr 2000. 1,33 AU-Tage je Versicherten entfallen auf dieses Diagnosekapitel.

Mehr zum Thema

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Statistik für das Jahr 2023

Zahl der Ausbildungsverträge in der Pflege leicht gestiegen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen