HINTERGRUND

Auch bei Männern tickt eine biologische Uhr

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Von Dr. Andrea Maierhofer</</b>

Wenn bisher die Sprache auf das Thema Fertilität kam, wurde vorausgesetzt, dass bei Frauen eine "biologische Uhr" tickt. Männer jedoch, glaubte man, könnten bis ins hohe Alter Nachwuchs zeugen. Mehrere Studien haben nun nachgewiesen, dass die "innere Uhr" auch bei Männern existiert.

Bei Frauen ab 35 gelten Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften. Das wird auch im Mutter-Kind-Pass vermerkt. Vorsorglich werden pränatale, eventuell auch genetische Untersuchungen gemacht. Dagegen schienen für Männer bislang weder Alterslimits noch Risikofaktoren bei der Fertilität zu existieren. Studien aus den USA und Israel belegen jetzt, dass das Gesundheitsrisiko des Nachwuchses nicht nur mit dem Alter der Mutter, sondern auch mit dem Alter des Vaters stark steigt.

Ab 35 Jahren nimmt bei Männern die Fertilität ab

Viele Experten betrachten diese Arbeiten mit Skepsis. Dennoch bestätigen die Studien, dass Männer in den mittleren und späten Vierzigern im Vergleich zu jüngeren Altersgenossen mehr Kinder zeugten, die genetische Schäden hatten oder später an Autismus oder Schizophrenie erkrankten (Arch Gen Psy 58, 2001, 361 und 63, 2006, 1026). Das Risiko, dass die Kinder später schizophren werden, ist bei älteren Vätern dreimal höher als bei jungen Vätern. Allgemein liegt in Deutschland die Prävalenz dieser Krankheit etwa bei einem Prozent.

Ab 35 Jahren nimmt bei Männern die Fertilität ab, durch Reduktion der Spermienzahl und Vermehrung genetisch geschädigter Spermien. Auch die Zahl der funktionsfähigen Spermien, die Spermienbeweglichkeit und das produzierte Samenvolumen werden geringer. Somit sinkt mit dem Alter die Chance, noch Nachwuchs zu zeugen.

Samenproben von gesunden Männern wiesen mit zunehmendem Alter teils massive genetische Veränderungen auf. So weisen etwa US-amerikanische Studien nach, dass die DNA in Spermien von älteren Männern vermehrt fragmentiert war (Fertil Steril 80, 2003, 1420).

Marfan-Syndrom ist mit hohem Alter des Vaters assoziiert

Genetiker warnen schon seit Jahrzehnten, dass einige, wenn auch seltene Geburtsdefekte mit einem hohen Alter des Vaters assoziiert sind. Dazu zählen Achondroplasie (PNAS 99, 2002, 14952), Neurofibromatose, das Marfan-Syndrom und das Apert-Syndrom (Am J Hum Genet 73, 2003, 939). Das Risiko von Punktmutationen bei Vätern über 45 Jahren ist vier- bis fünfmal höher als bei Vätern in den Zwanzigern.

Die Ursache ist die Alterung des Organismus. Damit ist eine Funktionseinschränkung von Zellen und Organen verbunden. Diesem Alterungsprozess sind auch die Spermien unterworfen. Tatsächlich wurde nachgewiesen, dass sich mit dem Alter die Leydigschen Zwischenzellen vermindern. Lipofuscin lagert sich vermehrt ab, die Tubuli seminiferi und die Tunica albuginea verdicken sich, in den testikulären Gefäßen kommt es zu Atherosklerose.

Während bei Frauen bereits bei der Geburt sämtliche Eizellen angelegt sind, produzieren Männer laufend neue Spermien. Das hat die Konsequenz, dass mit jeder neuen Sequenz Transkriptionsfehler unterlaufen können. Die fehlerhaften Spermien dienen jedoch wiederum als Kopien für neue Spermien. Wenn man einkalkuliert, dass mit dem Alter auch die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs sinkt, können Mutagene und andere Umweltgifte längere Zeit auf die Spermien einwirken und sie zusätzlich schädigen.

In den Hoden laufen bis zur Pubertät pro Jahr etwa 30 Mitosezyklen ab. Nach der Pubertät sind es ungefähr 23 Replikationen pro Jahr. Ein Mann im fünfzigsten Lebensjahr hat also schon 800 "Runden" hinter sich.

Der Text ist in einer längeren Version zuerst in der österreichischen Zeitung "Ärzte Woche" Nr. 38 erschienen.

FAZIT

Es gibt keine Anzeichen, dass eine Andropause als Äquivalent der Menopause existiert. Doch auch Männer haben eine "biologische Uhr". Sie sind zwar bis ins hohe Alter zeugungsfähig, aber oft sind dann bereits einzelne Parameter der Samenqualität massiv gestört. "Späte Väter" sollten sich daher zumindest bewusst sein, dass ihr Nachwuchs ein erhöhtes Gesundheitsrisiko hat. Eine Lebensweise mit ausgewogener Ernährung und Sport könnte die Chance auf gesunden Nachwuchs steigern.

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