Notkontrazeption

Die Krux mit dem Kreuz

Der Skandal von Köln hat die Politik aufgeschreckt: Nordrhein-Westfalen will auf Bundesebene über die "Pille danach" diskutieren. Die brenzlige Frage: Sollen katholische Kliniken Vergewaltigungsopfer wegen der "Pille" abweisen dürfen?

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Abgewiesen?

Abgewiesen?

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KÖLN. Die nordrhein-westfälische Landesregierung soll sich auf der Bundesebene für eine Klärung der Frage einsetzen, ob die "Pille danach" zur Erstversorgung von Vergewaltigungsopfern gehört.

Einen entsprechenden Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen hat der Düsseldorfer Landtag verabschiedet. Dabei stimmten auch die Piraten dem Antrag zu, CDU und FDP enthielten sich.

Die Landtagsabgeordneten fordern die rot-grüne Landesregierung auch auf, darauf hinzuwirken, dass eine umfassende Versorgung der Opfer von Sexualverbrechen "unabhängig von moraltheologischen Erwägungen" sowie eine vollständige Beratung inklusive der Aufklärung über die "Pille danach" gewährleistet ist.

Der Landtag hatte über die Abweisung eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers durch zwei katholische Kliniken in Köln debattiert, die der Stiftung der Cellitinnen gehören.

Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bezeichnete es als inakzeptabel, dass Ärzte in den Kliniken bei der Frau die Spurensicherung abgelehnt hatten, weil die Häuser die "Pille danach" nicht verschreiben dürften. So etwas dürfe nicht wieder passieren, forderte die Ministerin.

Der Kölner Fall wurde von allen Landtagsfraktionen missbilligt. Politiker von CDU und FDP warnten aber vor einer pauschalen Kritik an katholischen Kliniken.

Die SPD-Politikerin Daniela Jansen stellte die Frage, "ob die Zulassung oder Vergabe einer gynäkologischen Notfallbetreuung für katholische Kliniken akzeptabel ist".

Notfallpraxen sollen bleiben

Laut Steffens müssen Frauen nach einer Vergewaltigung selbstbestimmt über eine Notfallkontrazeption entscheiden können. Das könne zur psychischen Stabilisierung Betroffener beitragen.

"Sofern ein Krankenhaus nicht von sich aus bereit ist, dieses unverzichtbare Angebot bei der Versorgung von Vergewaltigungsopfern sicherzustellen, muss geprüft werden, wie eine umfassende Versorgung auf anderen Wegen sichergestellt werden kann", sagte die Ministerin.

Die Prüfung, ob sich die Klinikärzte berufsrechtlich korrekt verhalten haben, liegt bei der Bezirksregierung und der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo). Sie ist nach eigenen Angaben noch dabei, den Sachverhalt aufzuklären.

Dazu sollen vor allem Gespräche mit den beteiligten und den verantwortlichen Ärzten beitragen. Unterdessen zeigt sich: In vielen katholischen Kliniken der Region herrscht offenbar ein Klima der Angst, wenn es um solche Fragen geht.

Ärzte fühlen sich vom Erzbistum unter Leitung von Kardinal Joachim Meisner unter Druck gesetzt.

Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte sich eine "Testpatientin" im Oktober 2011 in einer Notfallpraxis die "Pille danach" verschreiben lassen, die sich auf dem Gelände einer der beiden betroffenen Kliniken befand. Das wurde Meisner gemeldet.

Laut "Kölner Stadt-Anzeiger" hatte das Erzbistum daraufhin die Kooperation der Klinik mit der Notfallpraxis als Ärgernis bewertet. Jetzt hat es aber klargestellt, dass es sich nicht von Notfallpraxen in katholischen Kliniken trennen will, die die "Pille danach" verschreiben.

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