Großbritannien

Mitochondrien-Spenden bald legal?

Im Vereinigten Königreich könnten Mitochondrien-Spenden bald legal sein. Eine Vorentscheidung sollte am Dienstagnachmittag im Unterhaus fallen - viele sehen den Schritt skeptisch.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:

LONDON. Britische Ärzte- und Patientenverbände haben zu "großer Besonnenheit" und "überlegtem Handeln" in der gegenwärtigen Diskussion um eine Legalisierung von Mitochondrien-Spenden gemahnt.

Im Vereinigten Königreich sollte am Dienstagnachmittag im Unterhaus eine Vorentscheidung über die "Human Fertilisation and Embryology (Mitochondrial Donation) Regulations" fallen.

Vor dem Inkrafttreten müsste auch noch das Oberhaus (House of Lords) der Vorlage zustimmen. In diesem Fall hätte Großbritannien eine Vorreiterrolle bei diesem ethisch strittigen Verfahren inne.

Wie die Sprecher aller wichtigen britischen Ärzteverbände in London der "Ärzte Zeitung" sagten, müsse bei der derzeitigen Ethikdebatte sehr genau abgewogen werden, ob alles, was medizintechnisch heute möglich sei, auch wünschenswert sei.

"Es besteht die Gefahr, dass hier die Schleusentore zu Designer-Babys geöffnet werden", so eine Sprecherin des Londoner Royal College of Obstetricians and Gynaeocologists (RCOG). "Wir appellieren zur Sachlichkeit."

Gesetz von 1990 muss ergänzt werden

Andere ärztliche Berufsvertretungen äußerten sich ähnlich zurückhaltend. Dagegen befürwortet Englands höchste Gesundheitsbeamtin, Chief Medical Officer Professor Dame Sally Davies, eine entsprechende Gesetzesänderung, um künftig Mitochondrien-Spenden und deren Einsatz bei künstlichen Befruchtungen zu erlauben.

"Die Erlaubnis von solchen Spenden würde es Frauen mit mitochondrialer Krankheit erlauben, gesunde Kinder zu bekommen." Um das umstrittene Verfahren zu legalisieren, müsste zunächst der aus dem Jahr 1990 stammende "Human Fertilisation and Embryology Act" geändert beziehungsweise ergänzt werden.

Während das Verfahren in Deutschland nie erlaubt war, wurde ein ähnliches Verfahren 2002 in den USA nach Sicherheits- und Ethikbedenken verboten. Gegner einer Legalisierung in Großbritannien wie Dr. David King (Human Genetics Alert) warnen vor "Designer-Babys mit drei Eltern".

Experten schätzen, dass in Großbritannien eines von 6500 Kindern eine mehr oder weniger starke auf eine mitochondriale Erkrankung zurückzuführende Störung entwickeln wird. Die nordenglische Universität Newscastle gilt auf dem Gebiet der Mitochondrien-Spenden als weltweit führend.

Während Kritiker sagen, die Technik sei "nicht sicher", widerspricht die britische Aufsichtsbehörde HFEA (Human Fertilisation and Embryology AUTHORity).

Das Verfahren, bei dem die Zellkern-DNA der Eltern aus einer befruchteten Eizelle, die die schädliche Mutation in den Mitochondrien in sich trägt, entnommen und in eine zuvor entkernte befruchtete Eizelle einer gesunden Spenderin eingepflanzt wird, sei "unbedenklich". Die Meinung der HFEA hat großes Gewicht.

Es entsteht keine Verwandtschaft

Bereits 2009 führten Forscher der Oregon Health & Science University in Portland das Verfahren erstmals erfolgreich an Affen durch. Die vier damals ausgetragenen Affenbabys sind alle gesund und weisen keine mitochondrialen Effekte auf.

In dem aktuellen Gesetzesentwurf, der kontrovers diskutiert wird, heißt es unter anderem, dass Kinder nur medizinische und biologische Informationen über die Eizell-Spenderin erhalten sollten, nicht aber Informationen, die zur Identifizierung der Spenderin führen könnten. Denn: Ein Verwandtschaftsverhältnis entstehe aus der Spende nicht.

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