Sterbephase

Schwierige Situation mit ICD am Lebensabend

Ein implantierbarer Kardioverter / Defibrillator (ICD) kann Leben retten. In der Sterbephase ist die Schockfunktion aber eine Qual. Darüber reden fällt noch schwer.

Von Friederike Klein Veröffentlicht:
ICD im Blick: Wünschenswert wäre eine frühzeitige Aufklärung der Patienten über mögliche Probleme mit ICD am Lebensende und das Erstellen einer entsprechenden Patientenverfügung.

ICD im Blick: Wünschenswert wäre eine frühzeitige Aufklärung der Patienten über mögliche Probleme mit ICD am Lebensende und das Erstellen einer entsprechenden Patientenverfügung.

© Greg S. Fulton / BVMed-Bilderpool

MANNHEIM. Vier von fünf Kardiologen und Herzchirurgen sprechen mit Patienten erst über die schwierige Situation mit ICD am Lebensende, wenn die letzte Lebensphase angebrochen ist.

Das hat eine Umfrage der Projektgruppe "Ethik in der Kardiologie" ergeben, die zwischen Juli und September 2015 durchgeführt wurde.

"Die Information ist aber insbesondere in der Sterbephase schwierig, da ist der richtige Zeitpunkt verpasst worden", sagte ihr Sprecher Professor Johannes Waltenberger, Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Münster, beim Internistenkongress in Mannheim.

Wünschenswert wäre dagegen eine frühzeitige Aufklärung der Patienten über mögliche Probleme mit ICD am Lebensende und das Erstellen einer entsprechenden Patientenverfügung. Für Waltenberger sollte dies durchaus schon bei der Aufklärung zur ICD-Therapie Thema sein.

Richtlinien fehlen häufig

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Zu Patientenverfügungen raten laut der Umfrage allerdings nur 47,0 Prozent der 212 Teilnehmer ihren Patienten mit ICD. Dabei ist das Problem im Alltag bekannt: 80,4 Prozent gaben an, in 2014 ICD-Deaktivierungen am Lebensende durchgeführt zu haben.

Als wichtigsten Beweggrund für eine Deaktivierung kreuzten die Befragten in etwa neun von zehn Fällen "ausdrücklicher Patientenwunsch" und "sterbender Patient" an.

Richtlinien zum ICD-Management am Lebensende sucht man vielerorts noch vergebens. Zwei Drittel der befragten Ärzte gaben an, es gebe so etwas nicht an ihrem Haus oder es sei ihnen nicht bekannt.

Selbst wenn die Befragten angaben, im Vorjahr sechs und mehr Male einen ICD abgeschaltet zu haben, hatte nur jedes zweite entsprechende Krankenhaus eine Richtlinie, das Thema Patientenverfügung anzusprechen.

Nur acht Prozent erhalten Schulung

Themen wie Patientengespräch zu Therapiebegrenzung und Therapieabbruch oder zum ICD-Management wurden nur in einem Drittel der Häuser in Richtlinien erwähnt. Eine Schulung für diese Situation erhielten gerade einmal acht Prozent.

Die Umfrage deckte auch Unsicherheiten darüber auf, welche Funktionen überhaupt deaktiviert werden sollten.

"Keine Deaktivierung der antibradykarden Therapie" gaben 50,7 Prozent aller Teilnehmer an, und bei den Ärzten, die mehr als sechs Mal im vergangen Jahr eine Deaktivierung durchgeführt hatten, lag der Anteil bei 70,4 Prozent. "Das könnten mehr sein", betonte Waltenberger.

Eine reine Deaktivierung der Schockfunktion kreuzten 29,4 Prozent an. In der akuten Sterbephase kann dies relativ einfach durch Auflegen eines Magneten erreicht werden.

"Das kann auch eine Pflegekraft im Hospiz", betonte Waltenberger. "Einen Kardiologen in der akuten Sterbephase nicht hinzuzuziehen, ist kein Unterlassungsfehler!" Der Magnet hemmt die Schockfunktion allerdings nur solange, wie er am ICD auf der Haut aufliegt und sollte deshalb im Sterbeprozess dort belassen werden.

Lage ist juristisch klar

Steht die Sterbephase erst mittelbar bevor, sollte laut Waltenberger aber immer ein Kardiologe hinzugezogen werden, der das Gerät entsprechend umprogrammieren kann.

Nur wenige Ärzte befürchteten, dass die ICD-Deaktivierung eine Form der aktiven Sterbehilfe sein könnte, aber 29,7 Prozent waren der Meinung, dass die Situation juristisch ungeklärt oder strittig sei und 24,5 Prozent gaben an, nicht zu wissen, wie die rechtliche Situation sei.

"Dabei ist die Lage juristisch klar - die ICD-Deaktivierung als Therapieverzicht am Lebensende ist straf-, zivil- und standesrechtlich grundsätzlich zulässig", betonte Waltenberger.

"Da ist noch viel sehr Aufklärungsarbeit nötig!"

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