Embryonen

Neue Zelllinien sind begehrt

Vor neun Jahren wurde der Stichtag im Stammzellengesetz verschoben. Jetzt zeigen sich die Auswirkungen.

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Die Forschung an Stammzellen bleibt umstritten.

Die Forschung an Stammzellen bleibt umstritten.

© Juan Gärtner

BERLIN. Die wissenschaftliche Sichtbarkeit der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen hat sich in Deutschland im internationalen Vergleich "gut entwickelt". Nach dem nunmehr siebten Erfahrungsbericht der Bundesregierung mit dem Stammzellgesetz für den Zeitraum 2014/2015 hat sich der "potenzielle Nutzen" dieser Stammzellen "für die Entwicklung neuer Therapiekonzepte und Wirkstoffe weiter konkretisiert".

Nach dem 2002 verabschiedeten Stammzellgesetz ist die Forschung an menschlichen Embryonen verboten. Ob ein Import embryonaler Stammzellen ausnahmsweise doch erlaubt wird, entscheidet die Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES), die beim Robert Koch-Institut angesiedelt ist.

Jährlich legt die Regierung einen Bericht über die Entscheidungspraxis der ZES vor.

105 Gestattungen

17 neue Importanträge sind im Zweijahreszeitraum genehmigt worden. Insgesamt ist damit seit Juli 2002 in 105 Fällen Wissenschaftlern der Import von humanen embryonalen Stammzellen gestattet worden. Derzeit arbeiteten bundesweit 75 Arbeitsgruppen in 53 Forschungseinrichtungen mit den Zellen, heißt es in dem Bericht.

Zusätzlich ist 2014/2015 für 19 Antragsteller die Genehmigung erweitert worden, in 14 Fällen wurde Forschern der Import weiterer Zelllinien erlaubt. In keinem dokumentierten Fall wurde Forschern seit 2002 formal der Zellen-Import verwehrt.

Das Gesetz schreibt vor, dass die Forschungsziele "hochrangig" sein müssen und sich der verfolgte Erkenntnisgewinn nur durch Verwendung humaner embryonaler Stammzellen erreichen lässt. Der Bericht verdeutlicht, dass die ZES eine forschungsfreundliche Interpretation des Gesetzes praktiziert.

Das gilt etwa für die Bestimmung, dass das Forschungsvorhaben an tierischen Zellen oder im Tierversuch vorgeklärt sein müsse. Wenn Forschungsfragen "nach dem jeweils aktuellen Stand des Wissens hinreichend vorgeklärt" sind, werde regelmäßig keine Notwendigkeit gesehen, dass die Antragssteller der Frage zuvor in In-vitro-Modellen mit tierischen Zellen nachgehen.

Die umstrittene Novelle des Stammzellgesetzes im August 2008 zeigt Wirkung: Seitdem dürfen Forscher in Deutschland Stammzelllinien verwenden, die vor dem 1. Mai 2007 gewonnen wurden. Zuvor war der 1. Januar 2002 Stichtag.

66 Prozent der laufenden Forschungsvorhaben verwenden "neue" Zelllinien, deren Nutzen erst durch die Stichtagsverschiebung möglich wurde. Im Zeitraum 2014/2015 entfallen drei Viertel der Genehmigungen auf nach 2002 entstandene Zelllinien.

Über 3000 humane embryonale Stammzelllinien verfügbar

Weltweit sollen nach Angaben des Human Pluripotent Stem Cell Registry mittlerweile mehr als 3000 humane embryonale Stammzelllinien verfügbar sein. Die Bundesregierung zieht im Bericht den Schluss, das Stammzellgesetz ermögliche die Forschung, "ohne den durch das Embryonenschutzgesetz gewährleisteten Schutz menschlicher Embryonen einzuschränken".

Wissenschaftler haben zuletzt im März versucht, die strengen rechtlichen Vorgaben in Deutschland aufzubohren. In einem von der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften – herausgegebenen Papier plädieren elf Wissenschaftler dafür, Forschung an sogenannten "verwaisten" Embryonen zu erlauben, die nach einer künstlichen Befruchtung "übrig" geblieben sind. (fst)

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