DTG-Jahrestagung

Transplanteure suchen den Befreiungsschlag

Die deutsche Transplantationsmedizin erholt sich langsam von den bekannt gewordenen Skandalen. Große Hoffnungen setzen die Transplanteure auf Lebendspenden und so genannte marginale Organe, wie bei der Eröffnung der DTG-Jahrestagung zu hören war.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Zu wenige Nieren: Seit zwei Jahren sinkt in Deutschland die Zahl der postmortal gespendeten Organe, beklagen die Transplanteure.

Zu wenige Nieren: Seit zwei Jahren sinkt in Deutschland die Zahl der postmortal gespendeten Organe, beklagen die Transplanteure.

© horizont21 / fotolia.com

FRANKFURT/MAIN. Vor genau einem Jahr hat der Skandal von Göttingen die deutsche Transplantationsmedizin bis ins Mark erschüttert.

Jetzt wollen die Chirurgen und Internisten eine neue Aufbruchstimmung erzeugen und Lösungen für zwei Probleme finden: den Organmangel und den teilweise deutlich schlechteren Outcome beim Patienten- und Transplantatüberleben.

"Wir waren in Deutschland auf einem guten Weg und sehen uns jetzt mit weniger Spenden konfrontiert", beklagte Professor Frank Ulrich am Donnerstag auf der 22. Jahrestagung der Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) in Frankfurt im Main.

13 Spender pro eine Million Einwohner

Hintergrund dafür ist nach Einschätzung des Chirurgen von der Uniklinik Frankfurt der Organspendemangel. Seit zwei Jahren sinkt in Deutschland die Zahl der postmortal gespendeten Organe. Derzeit gibt es hierzulande rund 13 Spender pro eine Million Einwohner.

In Ländern wie den USA, Spanien oder Kroatien sind die Zahlen deutlich höher, teils mit über 30 Spenden je Million.

Verantwortlich für den Rückgang in Deutschland werden auch die seit dem vergangenen Jahr aufgedeckten Skandale gemacht. Zur Erinnerung: In Göttingen soll der ehemalige Leiter der Transplantationschirurgie unter anderem Laborwerte manipuliert haben, um seine Patienten auf der Leberwarteliste höher zu positionieren.

Außerdem soll er Patienten ohne Indikation Lebern transplantiert haben. Der Mann muss sich derzeit in Göttingen vor Gericht verantworten und sitzt in Untersuchungshaft.

Mehr als fünfjährige Wartezeit auf neue Niere

Die DTG sucht den Ausweg aus dem Organmangel nun in der Lebendspende und in einem besseren Umgang mit so genannten marginalen Organen. Die Mediziner wollen wissenschaftliche Lösungen finden, wie auch Organe mit schlechter Qualität lange überleben können.

"Heute warten die Patienten an der Dialyse mehr als fünf Jahre auf eine neue Niere", erinnerte Professor Ingeborg Hauser, Nephrologin an der Uniklinik Frankfurt. "Das betrifft vor allem junge Patienten."

Die Hoffnung der Transplanteure ruht auch auf der Lebendspende von Nieren und Teillebern. "Ein steigender Anteil bei den Lebendspenden soll uns in Zukunft helfen", sagt Chirurg Ulrich.

In den USA etwa sei die Lebendspende bei den Nieren mittlerweile gleichauf mit den Post-mortem-Spenden. "Davon sind wir noch weit entfernt." Dennoch: Nach Zahlen der DSO steigt der Anteil der Lebendnierenspenden auch in Deutschland - auf mittlerweile knapp 30 Prozent.

Ein Faktor dafür dürfte auch sein, dass immer mehr Entnahmen volllaparoskopisch stattfinden, wovon die Patienten wegen der geringeren perioperativen Belastung deutlich profitieren.

In den USA hat sich die Schlüsselloch-Op laut Ulrich bei der Nierenentnahme bereits durchgesetzt. Auch in Deutschland würden immer mehr Zentren umstellen.

Der derzeitige Präsident der DTG, Professor Wolf Bechstein aus Frankfurt, erhofft sich auch von der Neufassung des Transplantationsgesetzes aus dem vergangenen Jahr mehr Lebendspenden. Durch die Neuregelung sind Lebendspender etwa bei der Lohnfortzahlung oder bei Folgeschäden durch die Explantation wesentlich bessergestellt.

Bechstein gab die Maxime aus: "Für den Spender dürfen keine Nachteile entstehen." Dazu gehöre letztlich auch konsequente und gute Aufklärung, denn "bei Lebendspenden tun wir etwas, womit wir dem Patienten eigentlich nur schaden".

Deutschland kein Musterknabe

Ein weiteres Problem in Deutschland: Wegen des Organmangels greifen Transplanteure zunehmend zu "marginalen Organen", etwa von älteren Spendern oder solchen mit Vorerkrankungen, beispielsweise Nierenspender mit Hypertonie.

Dadurch wird im Ergebnis, nämlich bei dem Gesamtüberleben nach einigen Jahren, aber der Outcome gedrückt. Deutschland ist bei den Qualitätsdaten im Internationalen Vergleich nämlich kein Musterknabe.

Über Lösungsansätze wollen die über 600 Teilnehmer noch bis Samstag auf der 22. Jahrestagung der DTG am Frankfurter Flughafen diskutieren. Einen besonderen Fokus hat die Fachgesellschaft ist in diesem Jahr auf ethische Aspekte und Verteilungsgerechtigkeit gelegt.

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