Mehr Alte, höhere Ausgaben? Für Deutschland gilt das in der Pflege nicht

Ein internationaler Vergleich zeigt, dass kein Zusammenhang zwischen der Altersstruktur eines Landes und den Pflegeausgaben besteht.

Kerstin MitternachtVon Kerstin Mitternacht Veröffentlicht:
Die meisten Menschen über 65 Jahre leben in Japan und Deutschland.

Die meisten Menschen über 65 Jahre leben in Japan und Deutschland.

© Yuri Arcurs / shutterstock

NEU-ISENBURG. Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherung (WIP) hat ergeben, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Altersstruktur eines Landes und den Pflegeausgaben gibt. Deutschland hat zum Beispiel trotz einer alten Bevölkerung niedrige Pflegeausgaben.

In der Studie "Die Pflegefinanzierung und die Pflegeausgaben im internationalen Vergleich" von Dr. Frank Wild vom WIP wurden die Pflegeausgaben von 13 Industrieländern mit deren Altersstruktur verglichen und die unterschiedliche Finanzierung der Pflegeversicherung vorgestellt. Viele Länder haben erst in den letzten Jahren - aufgrund der demografischen Entwicklung - eine Pflegeversicherung eingeführt. Länder wie Japan, Luxemburg oder Spanien nahmen dabei die deutsche Pflegeversicherung als Vorbild.

In Deutschland wird die Pflege seit 1995 über die Sozialversicherung abgesichert. Anders als etwa in Schweden. Das skandinavische Land besitzt ein steuerfinanziertes Pflegesystem. Länder wie Frankreich oder auch Spanien haben eine Mischform aus beiden Systemen.

Von den vorgestellten Ländern weisen Schweden und die Niederlande die höchsten Pflegeausgaben aus. In Schweden lagen im Jahr 2007 die Ausgaben bei 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und in den Niederlanden bei 3,4 Prozent. Beide Staaten haben aber keineswegs die älteste Bevölkerung.

Norwegen und Dänemark, oft in Verbindung mit ihrem skandinavischen Nachbarn genannt, geben dagegen nur halb so viel für Pflege aus. Im Vergleich zu ihrer relativ jungen Bevölkerung stellen diese Länder anteilig gesehen jedoch große finanzielle Mittel für die Pflege bereit.

Schweden hat, gemessen am Sozialprodukt, die höchsten Pflegeausgaben.

Schaut man sich die Altersstruktur der Staaten an, leben die meisten Menschen über 65 Jahre in Japan und Deutschland. Beide Länder haben im Gegensatz dazu jedoch unterdurchschnittliche Pflegeausgaben. Deutschland rangiert mit 0,9 Prozent am unteren Ende, knapp vor Großbritannien, deren Ausgaben 0,8 Prozent des BIP betragen. Dahinter folgt nur noch Spanien mit 0,3 Prozent. Spanien hat jedoch 2007 eine Pflegeversicherung eingeführt, weswegen ein Anstieg der Pflegeausgaben in Zukunft erwartet wird.

Auch wurden die Ausgaben mit dem Anteil der über 80-Jährigen verglichen. Die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu werden, sei ab diesem Alter besonders hoch, heißt es in der Studie. Es zeigt sich, dass Schweden außer den höchsten Pflegeausgaben auch eine der höchsten Anteile an über 80-Jährigen aufweist. Dagegen leben in den Niederlanden, die knapp hinter Schweden mit den Ausgaben liegen, am wenigsten über 80-Jährige. Die älteste Bevölkerung lebt in Japan, die Pflegeausgaben betragen dort aber nur 1,3 Prozent des BIP.

Auch Deutschland weist trotz vieler Menschen über 80 Jahren, nur vergleichsweise geringe Ausgaben auf. Aus diesen Ergebnissen lässt sich demnach kein Zusammenhang zwischen Altersstruktur und Pflegeausgaben feststellen. Daraus sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Demografie für die Ausgaben im Bereich der Pflege eine geringe Bedeutung hätte.

Die Gründe für die unterschiedlichen Pflegeausgaben werden oft von landestypischen Merkmalen beeinflusst. Dazu zählen der gesellschaftliche Stellenwert der Versorgung von Pflegebedürftigen oder auch die Bedeutung die Pflege durch die Familie. In Japan etwa besitzt die Familie einen hohen Stellenwert, dort wird von den Kindern erwartet, dass sie ihre Eltern pflegen. Auch der Grad der Institutionalisierung und Professionalisierung sowie das Verhältnis von ambulanter und stationärer Pflege spielen bei den Pflegeausgaben eine Rolle. In den skandinavischen Ländern hat die Altenpflege zudem einen höheren Stellenwert als in anderen Staaten, so der Verfasser der Studie, Dr. Frank Wild. Der Anteil der Pflegeausgaben am BIP liegt in Schweden viermal höher als in Deutschland.

Die Studie ist abrufbar unter www.wip-pkv.de/uploads/tx_nppresscenter/Pflege_international.pdf

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