Moderater Beitragsanstieg in der Pflege? Verwirrung um Ministeriums-Prognose
Neue Berechnungen zu einer moderaten Beitragssatzentwicklung in der Pflege könnten Gesundheitsminister Philipp Rösler in die Bredouille bringen.
Veröffentlicht:BERLIN (hom/vdb). Medienberichten zufolge erwartet das Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung bis zum Jahr 2014 von heute 1,95 auf dann 2,1 Prozent des monatlichen Einkommens steigen wird, sollte es zuvor keine Finanzreform geben. Das Ministerium, heißt es unter Berufung auf eine vom BMG selbst verfasste "Prognose", rechne damit, dass die Pflegeversicherung im Jahr 2010 einen Überschuss, spätestens aber ab Ende 2011 dauerhaft Defizite einfahren werde. Bestehende Rücklagen würden schneller als bislang erwartet aufgebraucht sein. Für 2020 geht das Ministerium den Berichten zufolge von einem Satz von 2,3 Prozent, für die Jahre ab 2050 von einem Satz von 2,8 Prozent aus.
Ein Sprecher von Minister Philipp Rösler (FDP) sagte, Berichte über eine sich verschlechternde finanzielle Lage der Pflegeversicherung träfen nicht zu. Wegen stetig steigender Beschäftigtenzahlen habe sich die Einnahmesituation in der Pflegeversicherung "deutlich besser entwickelt". Ob es eine interne Prognose gibt, ließ der Sprecher offen. Fakt ist: Die Information über die interne Berechnung erfolgt just zu einem Zeitpunkt, wo es einen personellen Wechsel in der Unterabteilung Pflege/Pflegeversicherung gegeben hat.
Minister Rösler könnten die Berechnungen seines eigenen Hauses in die Bredouille bringen. Denn sie bedeuten ausgerechnet Wasser auf die Mühlen derjenigen, die eine zusätzliche kapitalgedeckte Säule in der Pflege ablehnen und die Probleme im bestehenden umlagefinanzierten Beitragssystem lösen wollen. Die Opposition jedenfalls nutzte die Meldung sofort, um Röslers Dilemma aufzuzeigen. Seien die Zahlen aus dem BMG wirklich belastbar, sagte Grünen-Pflegeexpertin Elisabeth Scharfenberg, dann falle der Anstieg des Beitragssatzes zur Pflege vergleichsweise moderat aus. "Die Koalition kann so niemals begründen, warum die Einführung einer individuellen, unsolidarischen und bürokratischen Kapitaldeckung notwendig sein sollte", so Scharfenberg.
Nicht ausgeschlossen werden kann, dass Union und FDP ganz auf eine Finanzreform in der Pflege noch in dieser Legislaturperiode verzichten. So soll es laut Ministeriumssprecher bei den geplanten Beratungen zur Pflege zunächst nur um eine Lösung des Fachkräftemangels und einen neuen Pflegebegriff gehen. Erst später wolle die Koalition erörtern, wie die Pflegeversicherung "für die weitere Zukunft solide finanziert werden kann".