Die Selbsthilfe braucht Hilfe

Die Fülle an Aufgaben steigt, aber die Zuschüsse und das Personal nehmen nicht zu: Die Selbsthilfe stößt an ihre Grenzen - weil sie immer mehr an Bedeutung im Gesundheitswesen gewinnt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Auch Sehbehinderte sind in Selbsthilfegruppen organisiert. Geschätzt gibt es drei Millionen Mitglieder in rund 50 000 Gruppen.

Auch Sehbehinderte sind in Selbsthilfegruppen organisiert. Geschätzt gibt es drei Millionen Mitglieder in rund 50 000 Gruppen.

© Karin Lau / fotolia.com

BERLIN. Die zunehmende Bedeutung der Selbsthilfegruppen für die medizinische Versorgung stellt die Selbsthilfe vor Probleme.

Es fehle an Menschen, die sich ehrenamtlich in den sich professionalisierenden Strukturen engagieren, und an Geld, um die zusätzlichen Aufgaben zu bezahlen.

Selbsthilfe helfe längst Versorgungslücken zu schließen

So beschrieb der Hauptgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (B.A.G.), Dr. Martin Danner, die Situation, auf die die Selbsthilfe in Deutschland zusteuere.

Die Selbsthilfe sei keine Gegenbewegung mehr zum Behinderten entgegengebrachten Paternalismus, sondern helfe längst Versorgungslücken zu schließen.

"Auch einmal Nein sagen"

Selbsthilfeorganisationen seien an der Formulierung von Behandlungsleitlinien beteiligt, zertifizierten bestehende Versorgungsangebote, bildeten von sich aus Pflegekräfte aus und unterstützten die Forschung an Arznei- und Hilfsmitteln.

Er forderte die Selbsthilfeorganisationen auf, "auch einmal Nein zu sagen". Die Selbsthilfe könne entscheiden, welchen Aufgaben sie sich stelle, wofür sie Ressourcen einsetze und mit wem sie zusammenarbeite.

Mehr Aufgaben, dann auch mehr Ressourcen

Vom Versorgungsstrukturgesetz hätte er sich gewünscht, dass die Selbsthilfe als Partner für die Integrierte Versorgung akzeptiert worden wäre.

Wenn das Gesundheitssystem der Selbsthilfe neue Aufgaben übertrage, dann müssten auch ihre Ressourcen gestärkt werden, forderte Danner. Bei den Kommunen sei die Tendenz spürbar, sich aus der Finanzierung der Selbsthilfe zurückzuziehen.

Die Kommunen drehen den Geldhahn langsam zu

Die private Krankenversicherung solle ähnlich wie bei der Unabhängigen Patientenberatung in die Finanzierung der Selbsthilfe einsteigen.

Danner sprach sich dafür aus, den Leitfaden Selbsthilfeförderung der gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend weiterzuentwickeln, dass die Selbsthilfeorganisationen gestärkt würden. Zur Zeit behindere die Förderpraxis indikationsübergreifende Zusammenschlüsse.

1,9 Millionen Euro vom Bundesgesundheitsministerium für 2012

Der Gesetzgeber erkenne die Arbeit der Selbsthilfe an, sagte Staatssekretärin Ulrike Flach (FDP). Der Löwenanteil der staatlichen Zuschüsse komme von den Kranken- und Pflegekassen, die rund 65 Millionen Euro für die Selbsthilfe aufbrächten. Länder und Kommunen steuerten weitere 25 Millionen Euro bei.

Der demografische Wandel mache vor der Selbsthilfe nicht halt, sagte Flach. Das Bundesgesundheitsministerium unterstütze den Generationenwechsel in den Verbänden. Im kommenden Jahr stelle das Ministerium der Selbsthilfe 1,9 Millionen Euro zur Verfügung.

Entwurf des Patientenrechtegesetz in wenigen Wochen

Gespannt warten die in der Selbsthilfe engagierten Menschen auf das seit langem angekündigte Patientenrechtegesetz. In wenigen Wochen werde ein Entwurf veröffentlicht, kündigte Ulrike Flach an.

Er hoffe, dass er nicht nur die Kodifizierung bereits praktizierten Richterrechts enthalte, sondern den Patienten auch neue Rechte zugestehe, sagte Barmer GEK-Vize Dr. Rolf Schlenker.

So solle darin verankert werden, dass die Selbsthilfeorganisationen unabhängig von Sponsoren aus der Industrie arbeiten könnten.

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