Demenz

Wie Diagnosen verschleppt werden

Patienten mit Demenz frühzeitig behandeln - das wird nicht klappen, kritisieren Experten anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages am Freitag. Schuld daran ist das Gesundheitssystem selbst.

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Nicht vergessen: An der Versorgung bei den Demenz nachbessern.

Nicht vergessen: An der Versorgung bei den Demenz nachbessern.

© Katrin F. / panthermedia

BERLIN/FRANKFURT (HL). Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages haben Experten die getrennte Finanzierung von Kranken- und Pflegeversicherung heftig kritisiert.

"Das Nebeneinander von Kranken- und Pflegekassen führt dazu, dass Demenzkranke, gemessen an den internationalen Standards, in Deutschland nicht angemessen behandelt werden", sagte der Alterspsychiater Professor Hans Gutzmann in Berlin.

Bislang werde Demenz von der Politik eher als pflegerisches Problem betrachtet. Die Chancen, die eine medizinische Behandlung biete, würden nicht erkannt. Ursächlich sei die Trennung von Kranken- und Pflegekassen.

Denn betriebswirtschaftlich sei es für eine Krankenkasse nicht sinnvoll, für eine Behandlung zu zahlen, deren Nutzen durch eine verzögerte Pflegebedürftigkeit erst zukünftig bei der Pflegeversicherung - die zudem einem vollständigen Finanzausgleich zwischen den Pflegekassen unterliegt - wirksam wird.

Die im Frühjahr vorgelegte Liste zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich bestätigt laut Gutzmann, dass Demenzerkrankungen für die Krankenkassen kein großer Kostenfaktor sind.

Gutzmann: "Das ist verständlich, denn eine frühzeitige Diagnose, und eine umfassende medikamentöse Behandlung werden durch das System nicht gefördert."

Günstigere Arzneitherapie

Die Folge sei, dass Diagnosen verschleppt und notwendige Behandlungen versäumt werden. Die Hauptlast trügen die Angehörigen - "körperlich, seelisch und finanziell, mit dem hohen Risiko, selbst zu erkranken".

Dass die Kosten insbesondere der medikamentösen Behandlung von Demenzpatienten noch eher moderat sind, belegen gestern vorgelegte Marktforschungsdaten von IMS Health.

So beliefen sich die Ausgaben für Antidementiva in den wichtigsten Industrieländern Europas, Amerikas und Asiens auf rund 7,48 Milliarden US-Dollar.

War bis 2010 jährlich eine zweistellige Wachstumsrate zu beobachten, so gab es im vergangenen Jahr erstmals eine Trendwende zu niedrigeren Ausgaben - bei steigendem Verbrauch von Antidementiva.

Ursächlich ist der verstärkte Einsatz von Generika, der erstmals zu so stark sinkenden Umsätzen bei patentgeschützten Medikamenten geführt hat, dass die Gesamt-Arzneimittelausgaben in der Indikation Alzheimer/Demenz rückläufig war.

Dies könnte sich allerdings wieder ändern. Denn laut IMS wird Alzheimer intensiv von den Unternehmen erforscht, viele Arzneien befinden sich in der Entwicklung.

Epidemiologen haben derweil die Zahl der für Deutschland ermittelten Patienten, die an Demenz oder Alzheimer leiden, nach oben korrigiert: aktuell sind 1,4 Millionen Menschen betroffen.

Entsprechend wurde die Prognose für 2050 auf drei Millionen Patienten nach oben korrigiert – vorausgesetzt, es gelingen keine therapeutischen Durchbrüche.

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