Versorgung von Heimbewohnern

Thüringen macht's bayerisch

Die Altenheime in Thüringen klagen: Immer wieder drücken sich Ärzte davor, die Versorgung von neuen Heimpatienten zu übernehmen. Die KV sagt jetzt Hilfe zu - und orientiert sich dabei an Bayern.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
Arzt im Pflegeheim: In Thüringen soll ein Netzwerk dabei helfen, dass Pflegeheime künftig leichter Ärzte finden, die Heimbewohner regelmäßig versorgen.

Arzt im Pflegeheim: In Thüringen soll ein Netzwerk dabei helfen, dass Pflegeheime künftig leichter Ärzte finden, die Heimbewohner regelmäßig versorgen.

© Klaus Rose

ERFURT. Neue Altenheime und ambulante Pflegedienste schießen in Thüringen wie Pilze aus dem Boden. Die Kehrseite: Es wird immer schwieriger, Ärzte für die medizinische Versorgung zu finden. Ein Netzwerk soll nun Abhilfe schaffen.

Altersheime können ein Lied davon singen: Ärzte weigern sich immer wieder, neue Heimpatienten aufzunehmen. Sie sind überdurchschnittlich häufig krank, teuer und benötigen bei der Versorgung viel Zeit.

In einem neuen Pflegeheim in Tambach-Dietharz bei Gotha trat kürzlich der Ernstfall ein: Kein Hausarzt wollte die Patienten übernehmen. Monatelang suchte man vergeblich, schließlich drohte die KV mit der Zwangszuweisung. Das konnte nur vermieden werden, weil sich mehrere Ärzte freiwillig gefunden haben, erklärt KV-Chefin Annette Rommel.

Das Beispiel zeigt, wie prekär die medizinische Versorgung mancherorts inzwischen ist. Die KV arbeitet deshalb an einer grundlegenden Lösung: ein Ärzte-Netzwerk. Ein Vorbild ist Bayern, wo sich inzwischen 400 Ärzte für die Betreuung von 110 Heimen zusammengeschlossen haben.

Das heißt: gegenseitige Vertretung, regelmäßige Visiten und Rufbereitschaft, damit die Betreuung auch zu Unzeiten geregelt ist. Wann das Netzwerk startet, ließ Rommel offen.

Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) hat zusätzlich im neuen Heimgesetz einen Passus installiert, der die Heime künftig verpflichtet, einen Arzt fest per Vertrag zu binden. "Wenn ein Patient nicht mehr mobil ist, muss auch die Versorgung im Pflegeheim gewährleistet sein", so Taubert. Für die Arztbindung sollten Heime kooperieren.

KV-Chefin fordert bessere Ausbildung für Pflegepersonal

Das Problem, das viele Ärzte abschreckt: "Der Aufwand für eine Visite im Pflegeheim ist einfach mindestens doppelt so groß wie ein normaler Hausbesuch", erklärt KV-Chefin Rommel. Sie fordert eine bessere Ausbildung der Pflegekräfte. "Dann können wir ihnen auch mehr Verantwortung übertragen."

Diese Erfahrung bestätigt Eberhard Schäfer. Der Hausarzt betreut in Erfurt 122 Patienten in 14 Heimen - ungewöhnlich viel. "Es kann nicht sein, dass ich wegen jeder Kleinigkeit angerufen werden muss. Wir sollten dem Personal mehr Kompetenzen zubilligen", so Schäfer. Mehr Geld für Hausbesuche sei "die falsche Stellschraube." Die Entlohnung sei gut.

Machtlos stehe er allerdings dem Trend zur Polymedikation gegenüber: "Ich habe Patienten mit 20 und mehr Medikamenten. Das entwickelt oft eine Eigendynamik, wenn jemand aus dem Krankenhaus kommt und jedes Mal etwas Neues mitbringt."

Eine Mitschuld sieht Werner Steinbruch von der Landesseniorenvertretung Thüringen bei den Krankenhäusern: "Nur wenige Kliniken haben ein ordentliches Entlassungsmanagement. Die Schnittstelle zum Hausarzt klappt nicht. Und Angehörige bekommen oft nur einen Anruf: Sie können ihren Vater oder ihre Mutter abholen. Das ist einfach nur beschämend."

Die Mehrzahl der über 82.000 Pflegebedürftigen in Thüringen wird noch immer im eigenen Zuhause und bei Angehörigen versorgt. In den 305 Alten- und Pflegeheimen, die es derzeit laut Sozialministerium in Thüringen gibt, leben 21.776 Bewohner.

Die Auslastung liegt demnach bei 92 Prozent. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind 55 Heime dazugekommen - ein Plus von 4000 Plätzen. Die Zahl der ambulanten Pflegedienste wächst dagegen nur verhalten.

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