Interview

"Pflege ist ein schöner Beruf"

Am Donnerstag hat in Dresden der interprofessionelle Pflegekongress begonnen. Wir sprachen mit Michael Junge vom Sächsischen Pflegerat. Er wirbt für den Beruf Pflege, der vielfältig, und krisenfest ist.

Von Tobias Meyer Veröffentlicht:
Pflege als verbindendes Glied zwischen verschiedenen Professionen: Bei der Delegation ärztlicher Leistungen wird oft die Rechtslage unübersichtlich.

Pflege als verbindendes Glied zwischen verschiedenen Professionen: Bei der Delegation ärztlicher Leistungen wird oft die Rechtslage unübersichtlich.

© vege / fotolia.com

DRESDEN. Unter dem Motto "Viele Professionen - ein Patient" hat am Donnerstag im Hygienemuseum in Dresden der "Interprofessionelle Pflegekongress" seine Pforten geöffnet. Veranstalter ist der Fachverlag Springer Medizin, zu dem auch die "Ärzte Zeitung" gehört.

Ziel des Kongresses ist es, den Berufsgruppen im Gesundheitswesen eine Plattform zum Austausch zu bieten. Die "Ärzte Zeitung" sprach mit Michael Junge (33), Kinderkrankenpfleger und Vorsitzender des Sächsischen Pflegerats, über Alltagssorgen beruflich Pflegender, den Wunsch nach mehr Zeit und Personal und den Sinn von pflegerischer Selbstverwaltung.

Ärzte Zeitung: Herr Junge, wo drückt Deutschlands 1,2 Millionen Pflegeprofis der Schuh?

Michael Junge: Am meisten drückt er bei der täglichen Arbeit. Die Rahmenbedingungen sind so schlecht, dass eine Tätigkeit, ausgerichtet am Bedarf des Patienten, kaum noch möglich ist.

Und das betrifft das Krankenhaus, die ambulante Versorgung und das Pflegeheim gleichermaßen. Ein besserer Personalschlüssel, gesetzlich festgeschrieben und ausgerichtet am realistischen Pflegebedarf der Patienten und Bewohner, wäre hier ein wichtiger Schritt.

Betreuung im Laufschritt - sieht so die Realität in der Pflege aus?

"Ein schöner Beruf": Michael Junge, Vorsitzender des Pflegerats in Sachsen.

"Ein schöner Beruf": Michael Junge, Vorsitzender des Pflegerats in Sachsen.

© Privat

Junge: Ich befürchte ja. Wir beruflich Pflegenden wünschen uns vor allem mehr Zeit und mehr Kolleginnen und Kollegen, um Patienten und Pflegebedürftige besser versorgen zu können.

Damit potenziell ‚neue‘ Pflegeprofis sich für den Beruf interessieren, muss dieser in der öffentlichen Wahrnehmung aber erst einmal kräftig gestärkt werden.

Wie gelingt das?

Junge: Indem wir deutlich machen: Menschen zu pflegen, ist einer der schönsten und wichtigsten Berufe, den unsere Gesellschaft zu bieten hat. Außerdem ist der Pflegeberuf krisenfest und bietet eine riesige Bandbreite an Karrieremöglichkeiten.

Das klar zu machen, ist aber auch eine Aufgabe der beruflich Pflegenden selbst. Da müssen wir uns bemühen, trotz schlechter Rahmenbedingungen deutlich zu sagen, wie schön Pflege als Beruf ist.

Medizin muss man studieren, Pflege nicht. Sollte sich das ändern?

Junge: Nicht jeder, der pflegen will, muss studieren. Wir brauchen ein gestuftes Qualifikationsniveau - angefangen beim Pflegehelfer bis zum Pflegeprofi mit Hochschulabschluss auf Masterniveau. Damit können wir neue Bewerberschichten begeistern und Perspektiven eröffnen.

Nur auf Haupt- und Realschüler zu setzen, reicht nicht. Leider gibt es in Sachsen bislang keinen einzigen grundständigen Pflegestudiengang. Der Freistaat hält die Rote Laterne in der Hand.

Braucht es zwingend eine Berufskammer, um Pflege aufzuwerten?

Junge: Allen Unkenrufen zum Trotz: Ja, die braucht es! Es ist an der Zeit, die Gestaltung des Pflegeberufes in die Hände derer zu legen, die ihn machen. So wie es bei Ärzten, Rechtsanwälten und Architekten schon seit langem ist, so möchten es die meisten Pflegekräfte auch.

Kritiker wenden ein, eine Pflegekammer schaffe nur neue Bürokratie und bringe weder der Berufsgruppe noch den Patienten etwas.

Junge: Falsch. Eine Kammer trifft wichtige Regelungen für die Berufsausübung, von der auch die Patienten profitieren. Dazu gehört etwa die Regelung von Fort- und Weiterbildung. Da erlebe ich einen Wildwuchs an Angeboten und Qualifizierungen - teils mit fragwürdigen Inhalten.

Auch eine Schlichtungsstelle für Pflegefehler wäre bei einer Pflegekammer angesiedelt. Dann könnten Sachverständige mit Pflegeausbildung entscheiden, ob es sich in den jeweiligen Fällen um Pflegefehler handelt. Bisher machen dies oft Ärzte. Diese verfügen aber nicht über das nötige Fachwissen in der Pflege.

Wie weit sind die Kammer-Pläne in Sachsen gediehen?

Junge: Wir haben als Pflegerat kürzlich eine Umfrage unter Pflegekräften beauftragt. Knapp 70 Prozent sprechen sich danach für die Errichtung einer Kammer aus. Sozialstaatsministerin Christine Clauß, die uns um ein Meinungsbild gebeten hatte, ist nun leider nicht mehr bereit, Gespräche darüber zu führen.

Wir werden auf untergeordnete Hierarchieebenen verwiesen. Dieses wichtige Thema bedarf aber der persönlichen Stellungnahme der Ministerin. Es geht um die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen und einen fundamentalen Wandel. Zu befürchten steht, dass Sachsen auch bei diesem Thema den Anschluss verliert.

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