Stade

Helferinnen unterstützen Demenzkranke im Alltag

Speziell ausgebildete Helferinnen begleiten Demenzpatienten zu Hause und in der Klinik - ein Konzept, das sich in Stade bei Hamburg seit langem bewährt hat.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Helferin mit Patientin: Auf Wunsch wird auch vorgelesen.

Helferin mit Patientin: Auf Wunsch wird auch vorgelesen.

© Photographee.eu/fotolia.com

STADE. Herausforderung Demenz. Nicht nur die Angehörigen der Erkrankten, sondern auch Krankenhäuser müssen sich auf demenzkranke Patienten einstellen. Davon zeigt sich Hausarzt Dr. Volker von der Damerau-Dambrowski aus Stade in Niedersachsen überzeugt.

Von der Damerau, der auch die Alzheimergesellschaft Stade mitbegründet hat, bildete darum zusammen mit mehreren Kolleginnen der Alzheimergesellschaft bis heute rund 60 Helferinnen aus, die auf die Begleitung von Demenzkranken im Alltag und im Krankenhaus spezialisiert sind.

"Wir vermitteln diese Lotsen in Haushalte, in denen Demenzpatienten leben, um die Angehörigen zu entlasten", sagt von der Damerau der "Ärzte Zeitung". Die Assistentinnen sind keine Pflegerinnen, sondern verständnisvolle Begleiterinnen.

Im Laufe von drei Jahren haben sie ihre Arbeit in 90 Stunden und mehreren Kursen der Stader Alzheimergesellschaft erlernt. Alle acht Wochen treffen sich die Lotsinnen zur regelmäßigen Reflexion der Arbeit.

Helferin wird zur Patin

Bevor sie eingesetzt werden, besucht die pensionierte Ärztin Dr. Eva-Maria Becker mit einer Kollegin von der Stader Alzheimergesellschaft die Familien, "um zu sehen, welche Helferin emotional und sozial am besten in die Situation passt, die wir vorfinden", sagt Becker.

Die Helferin wird für den betroffenen Patienten und seine Familie "so etwas wie eine Patin", sagt Becker. Die Besuche kosten acht Euro pro Stunde, die die Angehörigen zahlen und sich dann das Geld von ihrer Kasse zurückholen. "Das läuft reibungslos", sagt von der Damerau.

Vielleicht noch wichtiger sind die qualifizierten Demenzlotsinnen im Krankenhaus. In den beiden Hausern des Elbklinikums in Stade und Buxtehude sparen die Helferinnen der Stader Alzheimergesellschaft den Kliniken viel Geld, sagt von der Damerau.

Denn sie holen demenziell Erkrankte an der Pforte des Krankenhauses ab, sprechen mit ihnen, erklären, warum so viele fremde Menschen da sind, begleiten zu den Untersuchungen oder spielen mit den Demenzpatienten.

"Dadurch können diese Patienten viel schneller behandelt werden und es werden auch wenige neuerliche Einweisungen nötig", erklärt der Hausarzt. In Stade sind fünf Demenzlotsinnen 10 bis 15 Stunden auf 400-Euro-Basis angestellt.

Schuhe auf dem Nachttisch

Pflegedienstleiterin Ursula Wichern vom Klinikum Stade bestätigt: "Die Pflegelotsinnen sind eine große Unterstützung." Wenn die altersverwirrten Patienten eine vielleicht unhygienische Wolldecke haben wollen, dann bekommen sie diese. Wenn sie mit dem Kopf am Fußende des Bettes liegen wollen - können sie auch das.

Und wenn sie die Schuhe unbedingt auf den Nachttisch stellen wollen, "dann stellen sie die Schuhe eben auf den Nachttisch", sagt Wichern. Und besonders der "Hinlauftendenz", also dem Bedürfnis der Patienten, einfach loszugehen, ins Elternhaus der Kindheit oder einfach die Straße entlang, können die Lotsinnen mit Sensibilität und Nähe beruhigend begegnen, berichtet Wichern.

"Leider fehlt in vielen Krankenhäusern immer noch so ein Service", sagt von der Damerau. Da werden altersverwirrte Patienten, die zuhause einigermaßen gut leben konnten, wegen eines Knochenbruchs eingeliefert und beginnen in ihrer Angst und Verwirrung zu schreien und finden keine Ruhe, berichtet der Hausarzt.

"In vielen Kliniken werden diese alten Menschen dann mit Medikamenten ruhiggestellt, operiert - und wenn sie entlassen werden, lutschen sie am Daumen und müssen in ein Pflegeheim umziehen." Von der Damerau nennt das eine "Inkompetenzkaskade in unseren Krankenhäusern."

Das ist in den beiden Häusern in Stade und Buxtehude anders. "Obwohl wir auch hier mit Missverständnissen kämpfen mussten", sagt Becker.

Manche Schwester glaubte, die Helferinnen nähmen ihnen Aufgaben weg oder meinte, diese könnten auch Pflegeaufgaben übernehmen. "Diese Probleme sind überstanden", sagen Becker und von der Damerau übereinstimmend.

Nach und nach dürften auch andere Kliniken nachziehen. Die Agenda zur "Allianz für Menschen mit Demenz" der Bundesregierung hat auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft unterzeichnet.

An die 30 Institutionen haben sich zu insgesamt rund 100 Maßnahmen verpflichtet, die die Lebenssituation von Demenzpatienten und ihrer Angehörigen verbessern sollen.

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