Gesundheitsversorgung

Migranten stellen selten Reha-Anspruch

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BERLIN. Ältere Menschen mit Migrationshintergrund nehmen deutlich seltener Reha-Leistungen in Anspruch als die deutschstämmige Bevölkerung.

Nach Berechnungen der Uni Bielefeld ist die Chance um 40 Prozent geringer, dass Migranten entsprechende Anträge stellen, erklärte Professor Oliver Razum, Gesundheitswissenschaftler an der Uni Bielefeld.

Als Gründe führte er vor allem Zugangsbarrieren wie Sprache und Verständnis an.

Diese müssten abgebaut werden, forderte Integrations-Beauftragte Aydan Özoguz (SPD) anlässlich des Auftakts des Schwerpunktjahres "Gesundheit und Pflege in der Einwanderungsgesellschaft" am Dienstag im Bundeskanzleramt.

Gerade die erste Generation der Einwanderer leide häufiger an Berufskrankheiten und hätte häufiger Arbeitsunfälle. Zwar könne eine Ursache die schwere Arbeit sein, aber auch sprachliche Barrieren könnten Verletzungsrisiken erhöhen.

Projekte zur Gesundheitsförderung

Daher wolle die Regierung in diesem Jahr Projekte zur Gesundheitsförderung von Migranten anstoßen. Die Zusammenarbeit dafür sei zwischen der Integrations-Staatssekretärin und dem Bundesgesundheitsministerium sehr gut, betonte Özoguz.

"Wir sind dankbar für die schnelle Reaktion, dass in den Gesetzen nun auch die Belange von Migranten auftauchen." So seien im geplanten Präventionsgesetz auch Migrantenverbände als Ansprechpartner für Projekte in den sogenannten Lebenswelten verankert.

"Wir wollen über die Schule, die Stadtteile, die Gemeinde und den Arbeitsplatz den Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessern", erklärte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Annette Widmann-Mauz im Kanzleramt.

Im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes solle auch die Beratung von Migranten über Pflegeleistungen verbessert werden. Im Mai sei ein Gesundheitssymposium mit Vertretern von deutschen und türkischen Gesundheitspolitikern und Experten geplant.

Auch sollen die Informationen über die Leistungen der Pflegeversicherung verbessert werden. Im zweiten Halbjahr 2015 soll es auch ein Symposium über die interkulturelle Öffnung von Kliniken geben.

Datengrundlage erhöhen

Auch andere Barrieren, die sich im Gesundheitswesen eingeschlichen haben, müssten abgebaut werden. "Künftig sollte in Arztbriefen nicht mehr das Bosporus-Syndrom verzeichnet werden", erklärte Özoguz.

Ihre Abteilung habe auch Begriffe wie "türkische Kopfschmerzen" und das "Mamma-Mia-Syndrom" in Arztbriefen gefunden. Das Bundesgesundheitsministerium will nach Aussage von Widmann-Mauz in diesem Jahr mehrere Projekte in der Gesundheitsförderung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte anstoßen.

Dazu gehöre auch, dass die Datengrundlage über die Gesundheit von Migranten erhöht wird. Dazu gehört auch die neue Welle der KIGGS-Studie des Robert Koch Institutes, bei der Kinder aus Einwandererfamilien einbezogen werden.

Bereits jetzt lasse die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ihre Broschüren mehrsprachig übersetzen, gemeinsam mit dem Sportbund fördere das Bundesgesundheitsministerium ein Projekt, um ältere Migranten zu mehr Bewegung zu animieren.

Stärker soll auch für die "kultursensible Pflege" geworben werden: Gerade bei Klinikaufenthalten, aber auch bei der Betreuung von Demenzpatienten spiele die Muttersprache eine zentrale Rolle, erklärte Widmann-Mauz. (bee)

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