DAK-Report

Pflege von Angehörigen belastet Körper und Seele

Die Pflege von Angehörigen lastet überwiegend auf den Schultern der Frauen, zeigt der neue DAK-Pflegereport. Und die Pflegenden zahlen einen hohen gesundheitlichen Preis.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Versicherte der DAK-Gesundheit, die Angehörige oder Freunde pflegen, sind häufiger psychisch krank als Menschen, die nicht pflegen.

55,5 Prozent der Menschen, die zu Hause pflegen, würden zeitweise depressiv oder litten unter Schlafstörungen, berichteten Vertreter der Kasse bei der Vorstellung des ersten DAK-Pflege-Reports am Donnerstag in Berlin.

In der Vergleichsgruppe der nicht pflegenden Versicherten wurden nur 39,5 Prozent wegen psychischer Erkrankungen behandelt. Auch Rückenleiden haben Pflegende (16 Prozent) demnach häufiger als Nichtpflegende (11 Prozent).

"Das zeigt, wie viel Druck auf Menschen lastet, die neben Job und Familie noch die Pflege eines Angehörigen übernehmen", kommentierte DAK-Chef Herbert Rebscher die Ergebnisse.

Ausgewertet haben die Statistiker jeweils 12.000 anonymisierte Datensätze pflegender Angehöriger und einer gleich starken Vergleichsgruppe.

Von den derzeit rund 2,6 Millionen Menschen mit einer Pflegestufe in Deutschland werden rund zwei Drittel zu Hause betreut.

Belastung wird als hoch eingeschätzt

Pflegende Angehörige sind nach wie vor zu 90 Prozent Frauen, in der überwiegenden Mehrheit zwischen 45 und 70 Jahre alt und zu knapp einem Drittel berufstätig, berichtete Milorad Pajovic, Leiter des Fachbereichs Pflegeversicherung bei der DAK. Eine parallel zur Datenauswertung laufende Forsa-Umfrage bestätigt die Ergebnisse.

Mehr als die Hälfte der pflegenden Angehörigen schätzte die eigene Belastung als hoch ein, Viele fühlen sich körperlich (50 Prozent), zeitlich (71 Prozent) oder psychisch (68 Prozent) überfordert. Ist der zu pflegende Mensch dement, steigen die Belastungswerte deutlich.

46 Prozent pflegen die eigenen Eltern, hat die Forsa-Umfrage ergeben, elf Prozent die Schwiegereltern. Bei 40 Prozent der befragten 2200 Pflegepersonen dauerte die Pflege rund ein Jahr. Immerhin 13 Prozent pflegen fünf Jahre und länger.

Externe Hilfsangebote sind unter den Pflegenden zwar bekannt, werden aber kaum genutzt. Die Pflegekurse, die alle gesetzlichen Kassen anböten, würden nur selten angenommen, sagte Rebscher.

"Pflege-Coach" im Internet

Die DAK bietet nach eigenen Angaben ganz neu einen "Pflege-Coach" im Internet an, ein Schulungsprogramm mit angeschlossenem sozialem Netzwerk als Austauschplattform für Betroffene.

Auf Leistungen der Pflegeversicherung verweist der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), mit denen pflegende Angehörige Urlaub vom Pflegealltag nehmen können, ohne die Versorgung der zu pflegenden Menschen zu gefährden.

"Wichtig ist, dass der pflegende Angehörige auch einmal an sich denkt und eine Auszeit nimmt, um neue Kraft zu tanken, sagte bpa-Präsident Bernd Meurer. Bis zu sechs Wochen Verhinderungspflege oder acht Wochen Kurzzeitpflege sind möglich.

Das Feld soziale Ungleichheit und Pflege werde von der Politik vernachlässigt, sagte Professor Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule Freiburg.

Akademische Milieus, die über ein hohes Maß an Gestaltungschancen verfügten, entledigten sich ihrer Verpflichtungen öfter, indem sie professionelle Hilfe in Anspruch nähmen. Ein deutliches Land-Stadt-Gefälle gibt es bei den Pflegezeiten.

Stadtbewohner pflegen weniger Stunden in der Woche als die auf dem Land

Landbewohner kümmerten sich im Schnitt rund 84 Stunden um ihre Angehörigen, Stadtbewohner nur 36 Stunden pro Woche.

"Im urbanen Bereich wird es mit der Pflege ganz schön schwierig", sagte Klie. Betriebe sollten Tagespflegeeinrichtungen schaffen. Die Reform der Pflegeversicherung findet Unterstützung.

93 Prozent der Befragten halten die Pflegereform für richtig. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des Gesundheitsministeriums.

57 Prozent machen sich keine Sorgen um die finanzielle Absicherung von Pflegebedürftigkeit.

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