Schulung für Ärzte, Pfleger und Co.

Schwerstkranke richtig betreuen

In Nordrhein wollen Ärzte, Pflegekräfte und Medizinische Fachangestellte gemeinsam ein niedrigschwelliges Schulungsangebot für die Kommunikation mit schwerstkranken und sterbenden Patienten entwickeln.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

DÜSSELDORF. Wenn ein Patient erfährt, dass er an einer schweren Krankheit leidet oder sich seine Prognose deutlich verschlechtert hat, sagt er häufig erst einmal gar nichts - und bringt den Arzt, der ihm die schlechte Nachricht überbracht hat, damit ins Schwitzen.

 "Man muss es 30 Sekunden lang aushalten, dass niemand redet", sagt Professor Lukas Radbruch, Direktor der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin der Uniklinik Bonn und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Das gelinge vielen Ärzten aber nicht. Ohnehin müssten viele lernen, den Patienten zuzuhören statt selbst zu reden.

Große Belastung für alle

Der Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden ist für Ärzte nicht nur eine kommunikative Herausforderung, sondern auch eine hohe Belastung, betont Radbruch. Der Kontakt und die Absprachen mit den anderen an der Versorgung Beteiligten könnten bei beidem helfen.

Ärzte sollten nicht versuchen, die Probleme allein zu lösen, sondern sie möglichst im Team besprechen, empfiehlt er. "Es ist ein wichtiger Schutzfaktor, wenn ich mit anderen darüber reden kann." Der Palliativmediziner begrüßt ein neues Pilotprojekt zur einfühlsamen Kommunikation mit schwerstkranken und sterbenden Patienten sowie zur Selbstfürsorge der Beteiligten.

"Man kann die Vorbereitung und das Führen solcher Gespräche lernen." Ärzte, Pflegekräfte und Medizinische Fachangestellte werden in Nordrhein gemeinsam eine multiprofessionelle Fortbildung zum Thema entwickeln und sie dann - wiederum fachgruppenübergreifend - zunächst in einer Modellregion umsetzen.

Die Initiative wird von der Ärztekammer (ÄKNo) und der KV Nordrhein, dem Pflegerat Nordrhein-Westfalen, dem Verband der medizinischen Fachberufe und dem Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein getragen. Das Projekt wird von der Robert Bosch Stiftung gefördert.

Es wird in der Region Nettetal am Niederrhein mit einer Klinik, fünf Hausarztpraxen, einem Pflegedienst und einem Pflegeheim erprobt und im März 2017 mit einer Befragung der beteiligten Berufsgruppen sowie von Patienten und Angehörigen abgeschlossen.

Die moderne Palliativmedizin stelle hochentwickelte Mittel zur Linderung der körperlichen Leiden schwerstkranker und sterbender Menschen bereit, sagt der Präsident der Ärztekammer Nordrhein Rudolf Henke. "Genauso wichtig ist die Kultur der menschlichen Zuwendung, die Haltung der Nähe, die wir mit vereinten Kräften fördern wollen."

Zu den Projektzielen gehöre auch, Respekt vor den Leistungen der jeweils anderen Berufe zu entwickeln. Die Schulungen sollen vor allem denen eine Hilfestellung bieten, die nicht regelmäßig mit dieser Patientengruppe zu tun haben, erläutert Henke.

Gerade weil der Umgang mit diesen Patienten in vielen Praxen nicht zum Alltag gehört, sei die neue Fortbildung so wichtig, bestätigt Hannelore König, Vorsitzende des geschäftsführenden Vorstands des Verbands medizinischer Fachberufe. Die geplante Zusammenarbeit in kleinen Gruppen und anhand von Fallbeispielen hält sie für sehr sinnvoll.

"Durch die Fortbildung erhalten die MFA Methoden und Instrumente, wie sie mit der schwierigen Situation umgehen können, gleichgültig ob in der Hausarzt-, Facharzt- oder Kinderarztpraxis." Für die MFA sei es hilfreich, die Sichtweise der anderen Berufe kennenzulernen, betont König.

Ergebnisse sollen übertragbar sein

Ludger Risse, Vorsitzender des Pflegerats NRW, betont die Bedeutung der gemeinsamen Kommunikationsgrundlage. In der emotional sehr belastenden Situation würden viele Patienten nicht verstehen, was der Arzt ihnen sagt. "Sie richten ihre Fragen dann häufig an die Pflegekräfte."

Risse bezeichnet das nordrheinische Projekt wegen des interdisziplinären Ansatzes als "zukunftsweisend". "Ich würde mir wünschen, dass es auch in anderen Regionen zum Tragen kommt." Auch Dr. Heike Zimmermann, bei der KV Nordrhein zuständig für den Bereich Palliativversorgung, hofft auf eine flächendeckende Umsetzung, wenn das Projekt den Praxistest bestanden hat. "Es stößt in eine Lücke."

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