Pflegeheime

Steigende Kosten durch multiresistente Erreger

Die Kosten, die durch multiresistente Erreger in Pflegeheimen entstehen, belaufen sich im Mittel pro Heim auf jährlich rund 50.000 Euro. Nach einer Analyse der Uni Greifswald schlagen dabei vor allem Kosten für personellen Aufwand und Materialien zu Buche.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Die Chance, MRSA im Pflegeheim zu identifizieren, ist geringer als in Kliniken, da oft keine spezifische Diagnostik zum Einsatz kommt.

Die Chance, MRSA im Pflegeheim zu identifizieren, ist geringer als in Kliniken, da oft keine spezifische Diagnostik zum Einsatz kommt.

© Rainer Jensen / dpa

GREIFSWALD. Multiresistente Erreger (MRE) sind längst nicht mehr nur ein Problem von Kliniken. Auch Pflegeheime sind offenbar zunehmend davon betroffen.

Dies ist insofern besonders problematisch, als Schutz- und Dekolonisationsmaßnahmen in solchen Einrichtungen oft weniger effektiv sind als in Krankenhäusern mit entsprechend geschultem Personal.

Nicht zuletzt ist damit eine zunehmende Belastung für das Gesundheitssystem verbunden.

Ein Team vom Institut für Health Care Management der Universität Greifswald hat jetzt errechnet, welche Kosten Pflegeheimen entstehen, wenn unter den Bewohnern Fälle von MRE auftreten (BMJ Open 2016; 6:e008458).

Dazu zählten die Forscher um Claudia Hübner dokumentierte Fälle von MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) sowie multiresistente Gram-negative Bakterien, die gegen drei bzw. vier Klassen von Antibiotika resistent sind (3-MRGN bzw. 4-MRGN).

Als MRE-Fälle werteten die Forscher nicht nur Infizierte, sondern auch Patienten, die nachweislich mit Erregern aus den genannten Gruppen kolonisiert waren.

Vier Fälle pro Jahr

An der Analyse nahmen sechs Pflegeeinrichtungen mit durchschnittlicher Bettenzahl von 95,2 pro Heim teil. Im dreijährigen Auswertungszeitraum (2011 bis 2013) wurden insgesamt 71 Fälle mit positivem MRE-Carrier-Status registriert; auf jedes Heim kamen so im Schnitt insgesamt 11,8 Fälle oder 3,9 Fälle pro Jahr.

Die Falldauer (MRE-positive Tage) belief sich im Mittel auf 163,3 Tage. Das Team errechnete auf dieser Grundlage sowohl die Fallfixkosten als auch die täglichen Kosten, die im Zusammenhang mit den MRE-Fällen anfielen.

Zu den Fallfixkosten zählten neben Kosten für medizinische Geräte wie Thermometer, Sphygmomanometer, Blutzuckermessgerät und Pulsmesser auch (indirekte) Kosten für Aushänge, Patienteninformation und -aufklärung sowie Teambesprechungen. Zusammengenommen beliefen sich diese pro Fall auf 233,87 Euro.

Hinzu kamen Kosten, die täglich für Isolationsmaterialien, (Einmal-)Schutzkleidung, Reinigungs- und Desinfektionsmittel, für das Bereitstellen und Waschen von Handtüchern und Bettwäsche sowie die Zubereitung entsprechender Schonkost anfielen.

In die Kategorie "tägliche Kosten" fiel außerdem der Anteil vom Gehalt für die Zeit, die das Personal täglich für zusätzliche Hygienemaßnahmen, vor allem das An- und Ausziehen von Schutzkleidung, aufwenden musste. Die täglichen Zusatzkosten machten 76,23 Euro pro MRE-Fall aus.

MRSA in 84,5 Prozent der Fälle

Nach Hübner und Kollegen schlug damit ein einzelner MRE-Fall mit insgesamt 12.448,36 Euro zu Buche. Der Löwenanteil entfiel dabei auf die zusätzliche Arbeitslast (7177,04 Euro) und die Isolationsmaterialien (4033,51 Euro).

Wenn man von einer monatlichen Kostenerstattung von 2500 Euro pro Bett und damit von Jahreseinnahmen zwischen 2,1 und 3,6 Millionen Euro pro Pflegeheim ausgeht, liegt der Anteil, der für MRE-Fälle aufgewendet werden musste, zwar nur im einstelligen Prozentbereich.

Über die drei Beobachtungsjahre hatte sich dieser Anteil jedoch verdoppelt (von 1,15 auf 2,30 Prozent). Dabei variierten die Kosten zwischen den Einrichtungen deutlich; sie reichten von jährlich unter 2500 bis zu 150.000 Euro (Durchschnitt: 50.306,82 Euro).

Die Zahl der Tage mit positivem MRE-Status hatte sich im Studienzeitraum um den Faktor 2,33 erhöht (von durchschnittlich 381,4 Tagen pro Einrichtung in 2011 auf 886,5 in 2013). Dabei waren 84,5 Prozent der Fälle auf MRSA zurückzuführen.

Die Forscher warnen, dass die Chance, MRSA in Pflegeheimen zu identifizieren, deutlich geringer sei als in Kliniken; dies liege daran, dass in den Heimen in der Regel keine spezifische mikrobiologische Diagnostik zum Einsatz komme.

Tatsächlich müsse man wohl von einer deutlich höheren Erregerlast ausgehen als der hier berichteten. Hinzu komme der oft schlechte Gesundheitszustand der überwiegend älteren Bewohner, die schlechte Compliance im Hinblick auf Hygienemaßnahmen sowie oft unzureichende Hygienekenntnisse der Heimbelegschaft.

Angemessene Schulungen, so die Autoren, könnten dazu beitragen, die Sanierungsraten zu steigern; damit würden sich auch die Kosten für das Management von MRE-Fällen reduzieren.

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