Ausbildung

Das Pflegeberufsgesetz wackelt.

Die Generalistik wird zum heißen Wackelkandidaten. Im Bundestag wird eifrig daran gearbeitet, diese in die kommende Wahlperiode zu schieben.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Kinderkrankenschwester im Vivantes-Klinikum Neukölln.

Kinderkrankenschwester im Vivantes-Klinikum Neukölln.

© R 4200/dpa

BERLIN. Das Pflegeberufsgesetz hat beste Chancen als legislaturübergreifender politischer Dauerbrenner das Präventionsgesetz abzulösen.Das hatte seit 2004 mehrere Anläufe in unterschiedlichen politischen Konstellationen gebraucht, bis es in dieser Legislaturperiode endlich beschlossen wurde. Seit mehr als einem Jahr liegt der Regierungsentwurf nun im Bundestag. Seither streiten sich Befürworter und Gegner des Gesetzes, vorwiegend hinter den Kulissen. Ablehnung und Zustimmung zu einer gemeinsamen Ausbildung und zur Schaffung eines einheitlichen Pflegeberufs gibt es in beiden Regierungsfraktionen und in der Opposition.

Der für die Union zuständige Berichterstatter Erwin Rüddel (CDU) steht dem Projekt ebenso skeptisch gegenüber wie der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Edgar Franke (SPD). Ein von den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Professor Karl Lauterbach (SPD) und Dr. Georg Nüßlein (CSU) formulierter Kompromiss, aus der dreijährigen generalistischen Ausbildung einen zweijährigen Ausbildungsgang mit anschließender Spezialisierungsphase zu machen, wurde von der für die Altenpflegeausbildung zuständigen Familienministern Manuela Schwesig (SPD) wieder kassiert.

Zuletzt hatte die hessische SPD-Abgeordnete Bettina Müller das Projekt zu retten versucht. Man solle die bisherigen drei getrennten Ausbildungsgänge und die einheitliche Ausbildung für zehn Jahre parallel anbieten, schrieb sie ihren Fraktionskollegen. Dann könnten die Schüler selbst entscheiden.

Kern des Gesetzes ist es, die Trennung zwischen Alten- und Krankenpflege perspektivisch aufzuheben. Dafür sollen die Pflegeschüler drei Jahre gemeinsam lernen und anschließend sowohl in der Alten als auch in der Kranken- und Kinderkrankenpflege arbeiten können. Die Durchlässigkeit plus die ebenfalls mit dem Gesetz geplante stärkere Akademisierung sollen Aufstiegschancen generieren. Der Pflegeberuf soll damit so attraktiv werden, dass der Personalbedarf auch in Zeiten steigender Pflegebedürftigkeit gedeckt werden kann. Was genau in dem neuen Berufsbild gelehrt werden soll, ist allerdings noch offen. Das soll in einer Verordnung stehen, deren bisherige Fassung nach Auffassung der Kritiker noch zu vage formuliert sei.

Der Deutsche Pflegerat und große Arbeitgeber und Anbieter sowohl von klinischen wie pflegerischen Leistungen wie wie Caritas und Diakonie finden die geplante Vereinheitlichung prima. Die mittelständischen Anbieter von Altenpflegeleistungen hingegen laufen Sturm. Der Entwurf erschwere zum Beispiel Hauptschülern den direkten Zugang zur Pflegeausbildung, monieren sie. Genau diese Gruppe aber hat in den vergangenen Jahren für Rekordzahlen in der Altenpflegeausbildung gesorgt. Zudem gibt es die Sorge, dass unter generalistischen Arbeitsbedingungen die Altenpflege mit deutlich höheren Löhnen als heute um Personal buhlen müsste. Genau das, Aufstiegschancen und bessere Bezahlung, sind politisch gewollt. "Der Wechsel zwischen den Berufen in der Pflege muss erleichtert werden", heißt es im Koalitionsvertrag.

Aus einer anderen Richtung argumentieren die Kinder- und Jugendärzte gegen die Reformpläne. Sie fürchten, mit der generalistischen Ausbildung werde die hohe Spezialisierung der Kinderkrankenpflege eingeebnet. Wenn die spezielle Ausbildung von der Generalistik abgelöst werde, werde dies zu einem deutlichen Qualitätsverlust führen, argumentiert die Fachgesellschaft.

Ob das Gesetz noch in dieser Wahlperiode kommt, ist fraglich. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gibt dem Vorhaben immerhin noch eine "fifty fifty Chance". Auf Staatssekretärsebene wird bereits drastischer argumentiert: "Bevor wir einen Sch... beschließen, lassen wir es lieber bleiben", hieß es in dieser Woche.

Offenbar wird darauf hingearbeitet, die Reform für diese Wahlperiode sein zu lassen. "Die Parole heißt Diskontinuität", bekennen hochrangige Gesundheitspolitiker freimütig. Nach wie vor möglich ist, dass das Gesetz im Koalitionsausschuss landet. In diesem inoffiziellen Gremium beraten die Fraktionsführer der Regierungsparteien und Landespolitiker von Union und SPD Streitfälle. Als nächstmöglicher Sitzungstermin gilt der 7. März.

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