Reha-Budget

Mehr Luft nur für wenige Jahre

Mit einer Demografie-Komponente soll den Rehaträgern für einige Jahre mehr Luft im Budget gegeben werden. Bei einer Anhörung im Sozialausschuss wurde die Kehrseite dieser geplanten Regelung deutlich.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Mehr Geld für die medizinische Rehabilitation: Das haben Sachverständige bei der Anhörung zum Rentenpaket der großen Koalition überwiegend begrüßt. Bei der Anhörung am Montag im Sozialausschuss des Bundestags wurde aber auch Kritik laut.

Bislang bemisst sich das Reha-Budget ausschließlich nach der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter. Die demografische Alterung, also der wachsende Anteil der reha-intensiven Jahrgänge an der Gesamtbevölkerung, wird nicht berücksichtigt.

Durch die nun geplante Demografie-Komponente würde das Reha-Budget von zuletzt 5,66 Milliarden Euro um mehr als 100 Millionen Euro im laufenden Jahr zusätzlich steigen.

Damit soll der erhöhte Reha-Bedarf vor allem der Baby-Boomer-Generation abgebildet werden.

Kurzfristige Vorteile, langfristige Einbußen

Mehrere Verbände und Experten kritisierten die vorgesehene Regelung allerdings. "So richtig es ist, das Reha-Budget anzuheben, so kontraproduktiv ist der Ansatz der Bundesregierung, dies zu nutzen, um den Deckel mittel- und langfristig deutlich abzusenken", heißt es in der Stellungnahme der Arbeitnehmerkammer Bremen.

Denn die Rehaträger werden durch die Demografie-Komponente nur bis 2014 mehr Geld erhalten, warnt Professor Eckart Bomsdorf vom Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialstatistik der Universität Köln.

Bereits im Jahr 2017 werde der Zuwachs mit vier Prozent sein Maximum erreichen. Im Jahr 2035 wird das Budget sogar zehn Prozent unter dem aktuellen Wert liegen. "Eine offenbar von vielen übersehene Tatsache", kommentiert Bomsdorf.

Der Wissenschaftler bezeichnet es als "schlicht unseriös", die Entwicklung einer bestimmten Altersgruppe bis 2050 in der benötigten Genauigkeit vorhersagen zu wollen. Das komme "Hellseherei" gleich. So gibt die Bundesregierung vor, die Ausgaben für Teilhabe würde im Jahr 2040 im Vergleich zum Vorjahr um 0,03 Prozent sinken.

Die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes stelle "keine Prognose dar, sondern liefert Modellrechnungen mit unterschiedlichen Varianten", erinnert Bomsdorf in seiner Stellungnahme.

Verändertes Krankheitsspektrum unberücksichtigt

Die Deutsche Rentenversicherung Bund weist darauf hin, dass die derzeitige Regelung die demografische Alterung berücksichtigt, Veränderungen im Krankheitsspektrum - wie etwa eine Zunahme psychischer Störungen - dagegen nicht abbildet. Gleiches gilt für einen möglichen finanziellen Mehrbedarf aufgrund des medizinischen Fortschritts oder durch sich wandelnde Arbeitsbedingungen.

Weitergehender sind die Forderungen des Sozialverbands Deutschland (SoVD) sowie weiterer Sozialverbände. Sie plädieren dafür, den Reha-Deckel ganz abzuschaffen. Vielmehr solle die Festlegung des Budgets der Selbstverwaltung der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen werden.

Der Sozialverband VdK weist darauf hin, dass die Reha-Ausgaben nach Abzug der Lohnsteigerungen "dauerhaft auf dem Stand von 1993 festgeschrieben sind." In den Jahren 2010 und 2012 war das Budget der Reha-Träger nahezu ausgeschöpft.

Die Konsequenzen der Budgetierung illustriert die Bundesagentur für Arbeit (BA) in ihrer Stellungnahme. In 50.000 Fällen jährlich würden Vermittlungsbescheide durch die Rentenversicherung als Reha-Leistung entschieden.

Bei einem Vermittlungsbescheid handelt es sich um eine Zusage weiterer Leistungen für den Fall, dass ein Versicherter einen Arbeitsplatz findet, der seinen krankheitsbedingten Einschränkungen gerecht wird - nur findet der Betroffene in vielen Fällen keinen Job.

Kommentar der BA: "Die Ablehnung weiterer, individueller Förderleistungen hat die betroffenen Menschen meist den dauerhaften Verbleib in Arbeitslosigkeit zur Folge" - also Arbeitslosigkeit statt Reha.

Wolle man die Praxis der Vermittlungsbescheide durch eine tatsächliche Reha-Leistung ersetzen, hätte dies nach Schätzung der BA Reha-Mehrausgaben von bis zu 400 Millionen Euro zur Folge, heißt es.

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