Bahr überlegt: Ärzte ab in die Schule

Mehr Prävention in den Schulen - in Modellprojekten klappt das erfolgreich. Jetzt überlegt Gesundheitsminister Bahr, bundesweit die Ärzte für Vorsorge-Untersuchungen zu den Schülern zu schicken. Doch sein Vorschlag kommt nicht überall gut an.

Veröffentlicht:
Hörtest in der Schule: Bahr will Ärzte öfter in den Schulen sehen.

Hörtest in der Schule: Bahr will Ärzte öfter in den Schulen sehen.

© Thomas Frey / imago

NEU-ISENBURG (bee/nös). Für den Vorschlag, Ärzte für Vorsorgeuntersuchungen in die Schulen zu schicken, hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) Lob von den Kassen und Kritik von der Opposition geerntet.

"Die sehr guten Erfahrungen bei den Vorbeugeuntersuchungen zur Zahngesundheit von Schulkindern sind Anlass, auch weitere Vorbeugeuntersuchungen in Schulen zu prüfen", sagte Bahr der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Lob dafür von den Kassen, aber auch vom Hartmannbund: "Diese Variante von Prävention ist als sinnvolle Alternative zur immer wieder diskutierten U-Untersuchung nebst Meldepflicht und anderem bürokratischem Unsinnviel zu lange vernachlässigt worden", sagte Dr. Klaus Reinhardt.

Kritik kommt von den Grünen: "Ohne Abstimmung mit den wesentlichen Akteuren und ohne öffentliche Debatte wird über Nacht ein Vorschlag präsentiert, der einseitig auf medizinische Aspekte ausgerichtet und noch nicht einmal wirklich ausgearbeitet ist", erklärte Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Prävention der grünen Bundestagsfraktion.

Unverständnis auch von den Pädiatern: "Wir sind strikt dagegen, dass Vorsorgeuntersuchungen in die Schulen verlegt werden", sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Wolfram Hartmann.

Schuluntersuchungen könnten nicht das Gespräch mit dem Pädiater ersetzen, mahnte er. "Sie können allenfalls die Vorsorge beim Kinder- und Jugendarzt ergänzen."

Der Präsident der Ärztekammer Berlin, Dr. Günther Jonitz, begrüßte hingegen Bahrs Vorstoß, mahnte zugleich aber den Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) an.

"Im ÖGD wurden über Jahre hinweg Stellen gestrichen", sagte er mit Blick auf die jüngst geplatzte Schlichtung für einen neuen Tarifvertrag im ÖGD.

"So lange die öffentliche Hand ihrer Pflicht, sich intensiv um die Gesundheit von Kindern zu kümmern, nur halbherzig nachkommt, muss ein Vorschlag wie der von Minister Bahr Wunschdenken bleiben."

Beispiel aus den neuen Bundesländern

Bahr kündigte an, sich mit den Ländern zusammenzusetzen. Da der Diskussionsprozess unter den Ländern noch nicht in Gang ist, konnte auch die Kultusministerkonferenz (KMK) auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.

Der KMK-Vorsitzende, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD), ist derzeit im Urlaub.

Bei den Schuleingangsuntersuchungen, die in allen Bundesländern üblich sind, werden unter anderem ein Hör- und Sehtest durchgeführt, auch gibt es eine Prüfung der Sprachentwicklung.

Nur in Sachsen besucht der Kinder- und Jugendärztliche Dienst die zweiten und sechsten Klassen. In Sachsen-Anhalt werden Schüler in der dritten und sechsten Klasse untersucht.

Während das Angebot vor der Wende noch verpflichtend war, ist es heute freiwillig. Die Teilnahme an den Reihenuntersuchungen in Sachsen bis heute sehr groß - dies sieht man beispielsweise auch an den Teilnahmeraten am Brustkrebsscreening.

Bahrs Pläne für die Vorsorgeuntersuchungen in Schulen dürften Bestandteil der künftigen nationalen Präventionsstrategie. Erste Details dazu waren bereits im Frühjahr bekanntgeworden.

Seit Monaten arbeitet das Ministerium an Vorschlägen, die Liste der Wünsche über die Inhalte ist lang.

Nach einem Bericht der in Rostock erscheinenden "Ostsee-Zeitung" von Mittwoch will Bahr seine Strategie im Herbst vorlegen.

In Berlin wurde dieser grobe Zeitrahmen am Dienstagabend bestätigt. Derzeit sei man noch in der inhaltlichen Planung, hieß es.

Der "Ostsee-Zeitung" sagte der FDP-Politiker, dass er "ein Schwergewicht auf die Früherkennung von gefährlichen Krebserkrankungen" legen will.

Bahr: "Es werden Anreize geschaffen, zur Vorsorge zu gehen. Wir müssen Krankenkassen, Schulen und Sozialeinrichtungen gezielt in die Prävention einbinden."

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Pandemie-Management

Parlament überprüft Italiens Corona-Politik

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System