Diabetes-Prävention

Schluss mit dem Klein-Klein

Immer mehr Menschen haben Diabetes - die Krankheit gilt als einer der Treibsätze für steigende Gesundheitsausgaben. Experten fordern einen Nationalen Diabetes-Plan. Doch Politiker verweisen auf die Kassen - und auch die schieben den Schwarzen Peter weiter.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Ein Diabetiker misst seinen Blutzuckerspiegel. Fast jeder dritte 75-Jährige in Deutschland hat inzwischen Diabetes.

Ein Diabetiker misst seinen Blutzuckerspiegel. Fast jeder dritte 75-Jährige in Deutschland hat inzwischen Diabetes.

© stefanolunardi / shutterstock.com

BERLIN. Etwa sechs Millionen Erwachsene in Deutschland haben Diabetes mellitus - Tendenz steigend: Denn jedes Jahr erkranken 270.000 Menschen neu an Typ-2-Diabetes.

"Ein hoher Anteil der Neuerkrankungen wäre durch gezielte Prävention vermeidbar", betonen Gesundheitsexperten. Genau die fehlten aber und so würden die Kosten im Gesundheitssystem in die Höhe getrieben.

"Die direkten Kosten eines Menschen mit Diabetes liegen etwa 1,8-fach höher als bei Menschen ohne Diabetes", sagte Dr. Bernhard Kulzer, Leitender Psychologe des Diabetes-Zentrums Mergentheim in Baden-Württemberg.

Er diskutierte mit weiteren Experten auf einer Veranstaltung des Pharma-Unternehmens Novo Nordisk in Berlin.

Aufgrund der hohen Kosten sei Diabetes auch ein volkswirtschaftliches Problem, so Kulzer. Im Jahr 2000 hätten die direkten Kosten für Diabetes pro Jahr in Deutschland etwa 32,6 Milliarden Euro betragen. 2009 waren es schon 48,2 Milliarden Euro.

Ein weiteres Problem: Die Dunkelziffer der Betroffenen sei in Deutschland sehr hoch. Und das, obwohl die Deutschen im europäischen Vergleich am häufigsten im Jahr zum Arzt gingen.

"Fast jeder zweite Mensch mit Diabetes ist nicht diagnostiziert", sagte Kulzer. Bei einer frühen Diagnose erhöhe sich die Chance für den Patienten, seinen Lebensstil zu ändern. Zudem lasse sich so auch der Einsatz von Medikamenten hinauszögern.

Prävention falsch investiert?

Ein weiteres Problem sei die unterentwickelte Prävention: Experten sehen Diabetes daher als einen der größten Kostentreiber im Gesundheitssystem. Aus ihrer Sicht sind Politiker in der Pflicht dem entgegen zu wirken.

Sie sollen eine Nationale Diabetes-Strategie auf den Weg bringen. Damit könnte vor allem die Früherkennung des Typ-2-Diabetes gefördert werden. Die schwarz-gelbe Koalition schiebe den Schwarzen Peter jedoch in Richtung Kassen.

Und diese investierten zu wenig in die Prävention von Diabetes: Vor allem fehlten Langzeitprojekte, kritisierte der CDU-Politiker Michael Hennrich.

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann betonte, es gebe bereits gute Präventionsprojekte im Rahmen von Selektivverträgen. Jedoch schaffe es kaum ein Projekt, die Hürde zu nehmen und Regelleistung in der GKV zu werden.

Der GKV-Spitzenverband wehrte sich gegen den Rüffel der Politik: "Wer bei dem Thema nur auf die Kassen zeigt, macht es sich zu einfach", sagte eine Sprecherin der "Ärzte Zeitung".

Prävention sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die über das System der Krankenversicherung hinausgehe. Kassen hätten zudem im Jahr 2010 mehr pro Versicherten für Prävention ausgegeben, als sie gesetzlich dazu verpflichtet seien (4,33 Euro statt 2,86 Euro).

Diese vier Euro würden häufig an der falschen Stelle investiert, sagte der FDP-Politiker Heinz Lanfermann. Kassen setzen zu sehr auf individuelle Präventionsprojekte, die eher dem Marketing der Kasse dienten.

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