Masernwelle

BÄK plädiert für Impfpflicht

Die Debatte um eine Impfpflicht wird nach dem Tod eines Kleinkinds immer hitziger. Der Präsident der Bundesärztekammer hat sich vor dem Hintergrund der Masernwelle in Berlin für den Impfzwang ausgesprochen.

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DÜSSELDORF/DORTMUND. Der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery, sagte vor dem Hintergrund der Masernwelle in Berlin: "Spätestens der tragische Todesfall in Berlin sollte Anlass sein, jetzt zu einer Impfpflicht gegen Masern zu kommen."

Die eigenen Kinder nicht gegen Masern impfen zu lassen, sei verantwortungslos, sagte er den "Ruhr Nachrichten".

Auch der Präsident der Berliner Ärztekammer, Dr. Günther Jonitz, hat sich für eine Impfpflicht ausgesprochen. Eine Impfung habe praktisch keine Risiken oder Nebenwirkungen.

Die Krankenkassen müssten die Kosten der Impfung auch für vor 1970 Geborene übernehmen, forderte Jonitz. Bisher geschieht das nur für nach 1970 Geborene.

Der Schutz sei "in Abwägung zur Erkrankung mit möglichen Folgeschäden das klar bessere und risikoärmere Mittel", sagte der Neuköllner Stadtrat für Gesundheit, Falko Liecke, laut einer Mitteilung. In dem Bezirk wurden bisher mehr als 100 Fälle gemeldet.

Auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) schließt die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für Kinder nicht mehr grundsätzlich aus - aber nur als allerletztes Mittel.

"Klar ist: Das würde einen erheblichen Eingriff in das im Grundgesetz garantierte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und in das Sorgerecht der Eltern bedeuten", sagte Huml am Dienstag dem "Münchner Merkur".

AOK-Chef richtet Appell an Eltern

Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, hat an Eltern appelliert, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen..

"Wenn es um das Leben von Kindern geht, die noch nicht allein entscheiden können, sollten wir auch einmal aufhören zu diskutieren und uns an das halten, was uns Medizin und Wissenschaft lehren", sagte Graalmann der "Rheinischen Post".

Eine Krankheit, die schwerwiegende Schäden zufügen und als Spätfolge im Erwachsenenalter eine Hirnhautentzündung verursachen könne, dürfe nicht bagatellisiert werden.

In Berlin grassiert zurzeit die schlimmste Masern-Welle seit Einführung der Meldepflicht. Am Montag war bekannt geworden, dass ein an Masern erkrankter anderthalbjähriger Junge gestorben ist.

Das Berliner Uniklinikum Charité hat den Masern-Tod des Kindes inzwischen bestätigt. Der vorläufige Obduktionsbericht liege jetzt vor, teilte die Klinik am Dienstag mit.

"Bei dem Kind lag eine Erkrankung vor, die ohne die Masern-Infektion nicht zum Tode geführt hätte", hieß es darin.

Der Fall und eine Masern-Welle in Berlin mit bislang mehr als 570 Erkrankten hatten eine Debatte um die Impfpflicht ausgelöst.

Gröhe setzt auf Aufklärung

Die Bundesregierung setzt trotz des Massenausbruchs vorerst auf Beratung.

Die Impflücke müsse durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Ärzten, Kitas, Schulen und allen anderen Verantwortlichen geschlossen werden, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

"Wenn das nicht gelingt, ist eine Impfpflicht kein Tabu, aber sie steht jetzt nicht an."

Herausforderung für Kliniken

Die Masern-Welle macht sich auch an Kliniken bemerkbar: In den Häusern des Konzern Vivantes etwa seien vor allem Menschen zwischen 20 und 45 Jahren stationär aufgenommen worden, sagte der Mediziner und Pandemiebeauftragter der Kliniken, Christian Träder. Wegen der Auslastung durch die Grippewelle habe man aber nicht alle Patienten annehmen können.

"Im Normalfall stehen Erwachsene die Masern auch zu Hause durch." Träder berichtete auch von Fällen, in denen Berliner die Masern aus der Ukraine mitgebracht hätten. Reisen und Migration sieht er neben Impflücken in der Bevölkerung als wesentliche Faktoren für den Ausbruch.

Die am Montag wegen Masern geschlossene Schule in Berlin-Lichtenrade hat den Unterricht am Dienstag wieder normal aufgenommen. Auslöser der vorsorglichen Schließung war ein an Masern erkrankter Jugendlicher.

Das Gesundheitsamt habe inzwischen die Impfbücher von Mitschülern und Lehrern überprüft, sagte die Bezirksstadträtin für Gesundheit.

Vom Unterricht ausgeschlossen worden seien fünf Schüler, die keinen ausreichenden Impfschutz nachweisen konnten. Sie müssen dies nun nachholen.  

Masern schwächen das Immunsystem und können bei Komplikationen zu schweren Infektionen wie Lungen- und Gehirnentzündungen führen. Laut Statistik sterben zwei von 1000 Patienten an den Folgen einer Masern-Infektion. (dpa)

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