Suizidprävention

Menschen am Abgrund gleich mehrere Hände reichen

Selbstmordgefährdete Menschen sollen besser davor geschützt werden, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen - mit einer fraktionsübergreifenden Initiative im Bundestag. Der Grundstein dafür ist jetzt gelegt.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Mensch am Abgrund? Die Suizidprävention kann wohl noch verbessert werden, meinen Experten.

Mensch am Abgrund? Die Suizidprävention kann wohl noch verbessert werden, meinen Experten.

© nikolay100 / fotolia.com

BERLIN. Rund 10.000 Menschen haben sich 2013 in Deutschland das Leben genommen. Etwa 100.000 haben es versucht. Angesichts dieser Zahlen hat Professor Armin Schmidtke jetzt eine parteienübergreifende Initiative für die Prävention von Suiziden gefordert.

Schmidtke leitet das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro), in dem mehr als 90 Organisationen zusammengeschlossen sind. Die Suizidprävention war in der vergangenen Woche auch Thema einer Expertenanhörung im Bundestagsausschuss für Gesundheit. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen hatte dazu im Sommer einen Antrag eingereicht.

Vor allem alte Menschen gefährdet

Vor allem alte Menschen seien gefährdet, einen Suizid zu verüben, so Schmidtke. So sei etwa jede zweite Frau, die sich dazu entschließt, älter als 60 Jahre.

35 Prozent der Suizide in Deutschland begehen Menschen, die über 65 Jahre alt sind. Zu den größten Risikofaktoren gehören neben einer schlechten finanziellen Situation auch Arbeitslosigkeit sowie Vereinsamung und Isolation.

Der Experte verwies darauf, dass sich die empfundenen Belastungen im Laufe eines Lebens verändern: Während bei jungen Erwachsenen vor allem Beziehungskonflikte zu den häufigsten Auslösern von Suiziden zählen, sind es bei Menschen in den mittleren Lebensjahren finanzielle Probleme und im Alter vor allem die Angst vor schweren Erkrankungen.

Dr. Reinhard Linder, Klinikarzt aus Hamburg und beim NaSPro aktiv, sieht im Hausarzt einen zentralen Ansprechpartner für suizidgefährdete Senioren. Er plädierte dafür, ambulante Therapien häufiger in Altersheimen anzubieten.

"Unser Altersbild hat sich überholt. Auch im fortgeschrittenen Alter helfen Psychotherapien weiter", sagte Lindner. Mit Blick auf die aktuelle Debatte um die Sterbehilfe sagte Lindner: "Mit unseren Angeboten für verzweifelte Menschen stehen wir für etwas anderes".

Viele Suizide bei Depressiven und Zuwanderern

Neben den Senioren zählen auch Menschen mit Depressionen sowie Zuwanderer zu den zentralen Risikogruppen. "Migranten haben ein bis zu vierfach erhöhtes Risiko, einen Suizid verüben als Deutsche", sagte Andreas Heinz, Professor an der Charité und Vertreter der "Aktion psychisch Kranker".

Flüchtlinge sollten vor allem durch Gruppentherapien, Kurzinterventionen oder auch Online-Angebote unterstützt werden. Wichtig sei, die Selbsthilfe unter den Flüchtlingen zu stärken.

Den Antrag der Grünen wertete Schmidtke als gute Grundlage. Darin wird gefordert, mehr über Suizidalität aufzuklären, regionale und multiprofessionelle Behandlungsangebote zu entwickeln sowie bestimmte Risikogruppen intensiver zu unterstützen.

Die Suizidexperten wollten darüber hinaus auch jene Orte, an denen sich Suizide besonders häufen, analysieren lassen, so dass diese besser abgesichert werden können. Auch sei die aufsuchende Behandlung gerade für ältere Menschen auszubauen.

Das Thema müsse intensiver erforscht werden, um effektive Versorgungsangebote entwickeln zu können. Da Suizidprävention eine gesellschaftliche Aufgabe sei, müsse an einer parteienübergreifenden Lösung gearbeitet werden.

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