Geriatrie

Länger fit mit persönlichem Präventionsplan

Selbstständig lebende alte Menschen profitieren offenbar von einem persönlichen Präventionsplan auf Basis eines "Health Risk Assessment". In einer kontrollierten Studie über acht Jahre ließ sich damit sogar das Sterberisiko reduzieren.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Blutdruck-Kontrolle: Die Senioren der Studie wurden regelmäßig zu ihren persönlichen Gesundheitsrisiken beraten.

Blutdruck-Kontrolle: Die Senioren der Studie wurden regelmäßig zu ihren persönlichen Gesundheitsrisiken beraten.

© Photographee.eu / fotolia.com

BERN. Die Gesundheit alter Menschen lässt sich offenbar relativ einfach und mit geringem Kostenaufwand erhalten - nämlich mit einem sogenannten "Health Risk Assessment" (HRA) in der Hausarztpraxis kombiniert mit regelmäßiger Kontrolle gesundheitsfördernder Maßnahmen durch geschultes Pflegepersonal.

Dass eine solche Vorsorge langfristig erfolgreich sein kann, haben jetzt Schweizer Wissenschaftler erstmals in einer kontrollierten Studie mit alten Menschen, die nicht pflegebedürftig sind und zu Hause leben, zeigen können (PLoS Med 12(10): e1001889).

Ursprünglich entwickelt wurde das HRA in den USA, um die Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern. Zunehmend wird es aber nun auch für die Vorsorge bei alten Menschen ins Gespräch gebracht. Ziel dabei ist es, individuelle Risikofaktoren mithilfe eines Gesundheitsprofil-Fragebogens zu erfassen und anhand dessen potenzielle Gefährdungen in der Zukunft auszumachen.

Basierend auf diesem durch ein spezielles Computerprogramm generierten Bericht entwickelt der geschulte Hausarzt gemeinsam mit dem Pflegepersonal einen persönlichen Präventionsplan.

Regelmäßige Beratung

Bei regelmäßigen Besuchen (alle sechs Monate) und Telefonaten (alle drei Monate) sollen Pflegepersonal und Ärzte die Teilnehmer über zwei Jahre hinweg dazu motivieren, die gesundheitsfördernden Maßnahmen umzusetzen (etwa mehr Bewegung, fettarme Ernährung), präventive Vorkehrungen zu treffen (etwa regelmäßig Blutzucker messen, gegen Grippe und Pneumokokken impfen) und an speziellen Vorsorgeprogrammen teilzunehmen wie Brustkrebsscreening oder ophthalmologischen Untersuchungen.

Die Studienautoren um Dr. Andreas Stuck von der Universität Bern in der Schweiz haben dieses Modell nun unter Praxis-Bedingungen getestet. Ausgewählt wurden Patienten im Alter ab 65 Jahre aus 19 Hausarztpraxen der Region Solothurn. Diese wurden entweder einer Interventionsgruppe mit HRA (n=874) oder einer Kontrollgruppe ohne HRA (n= 1410) zugeteilt.

Die Teilnehmer durften keine funktionellen Einschränkungen, Demenz oder schwere Erkrankungen haben. Bei einer Eingangsuntersuchung wurden bei den Teilnehmern im Mittel sieben Risikofaktoren identifiziert (etwa ungesunder Lebensstil, soziale Risiken).

Wechsel zu gesundem Lebensstil

Zwei Jahre später hatten die Teilnehmer der Interventionsgruppe einen deutlich gesünderen Lebensstil und trafen mehr präventive Vorkehrungen als ihre Altersgenossen der Kontrollgruppe. So waren 70 Prozent in der Interventionsgruppe körperlich aktiv, in der Kontrollgruppe dagegen nur 62 Prozent.

In den zurückliegenden zwölf Monaten hatten sich in der Interventionsgrippe 66 Prozent gegen Grippe impfen lassen, im Vergleich zu 59 Prozent in der Kontrollgruppe.

Die gesündere Lebensweise reduziert offenbar auch das Sterberisiko, wie die Ergebnisse acht Jahre nach Studienbeginn nahelegen. So waren nach dieser Zeit noch 77,9 Prozent der HRA-Gruppe am Leben, im Vergleich zu 72,8 Prozent der Kontrollpatienten. Das bedeutet eine um relative 20 Prozent verringerte Sterberate.

Demnach müssen 21 Personen an der Intervention teilnehmen, um in dieser Zeit einen von ihnen vor dem Tod zu bewahren (number needed to treat, NNT von 21). Die Kosten für das zweijährige Programm belaufen sich nach Angaben der Studienautoren pro Person auf 1017 US-Dollar, wobei der größte Anteil auf die Arbeitszeit der beteiligten Ärzte und Pfleger anfällt.

Die Intervention ist somit ein Modell für ein effektives und preisgünstiges Programm zur Prävention und Gesundheitsförderung bei nicht pflegebedürftigen alten Menschen, so das Fazit von Stuck und Kollegen.

Möglicherweise ließe sich ein solches Modell auch an die Gegebenheiten von Ländern mit geringem bis mittlerem Bruttosozialprodukt anpassen, die ja ebenfalls vor den großen Herausforderungen einer zunehmend älteren Bevölkerung stehen.

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