Vier Wissenschaftler finden

Assistierter Suizid in engen Grenzen statthaft

Medizinethiker und Juristen haben in der Debatte um eine Neuregelung der Sterbehilfe einen Vorschlag zum assistierten Suizid vorgelegt. Unter sehr engen Voraussetzungen sollen Ärzte sterbenskranken Patienten Assistenz beim Suizid leisten dürfen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Blick in ein Sterbezimmer eines Sterbehilfevereins. Wird Werbung für Sterbehilfe verbannt?

Blick in ein Sterbezimmer eines Sterbehilfevereins. Wird Werbung für Sterbehilfe verbannt?

© Gaetan Bally / dpa

BERLIN. Mehr Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten, aber kein Recht auf Tötung auf Verlangen. Drei Ärzte und ein Jurist haben sich zusammengetan, um einen Beitrag zur Sterbehilfedebatte zu leisten.

Ihr Angebot ist ein ausformulierter Gesetzesentwurf zum assistierten Suizid, der am Dienstag in München vorgestellt wurde. Ziel des Entwurfs sei es, durch eine Verschärfung des Strafrechts und klar begrenzte Ausnahmen einerseits die Vielfalt der Vorstellungen der Bürger von einem gelingenden Leben und Sterben zu respektieren.

Andererseits sollten im Sinne des Lebensschutzes voreilige Erfüllung, Missbrauch und Bedrängung zum Suizid besser als bisher verhindert werden, heißt es in dem Buch "Selbstbestimmung im Leben - Fürsorge zum Leben", das der Palliativmediziner Professor Gian Domenico Borasio (Universität Lausanne, TU München), der Medizinethiker Dr. Ralf Jox (LMU München), der ehemalige Vorsitzende der Ethikkommission der Bundesärztekammer, Professor Urban Wiesing (Universität Tübingen) und der Jurist Professor Jochen Taupitz, aktuelles Mitglied des Ethikrates, verfasst haben.

In ihrem Gesetzesentwurf entwerfen die Autoren ein Fünf-Schritte-Modell, das einer ärztlichen Assistenz beim Suizid vorausgehen sollte. Ärzte sollen demnach nur dann Beihilfe zur Selbsttötung leisten dürfen, wenn bestimmte Voraussetzung erfüllt sind. Nämlich:

- wenn sie von der Freiwilligkeit des Plans überzeugt seien,

- wenn die Prognose infaust sei,

- wenn sie den Patienten umfassend über die möglichen Formen der Suizidbeihilfe, aber auch der palliativmedizinischen Möglichkeiten informiert hätten,

- wenn sie ein schriftliches Gutachten über den Patienten von mindestens einem anderen Arzt vorliegen hätten

- und wenn zwischen Aufklärungsgespräch und der Beihilfe mindestens zehn Tage verstrichen seien.

"Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe"

Jede Werbung für die Beihilfe zur Selbsttötung wollen die Wissenschaftler unter Strafe gestellt sehen. Das standesrechtliche Verbot ärztlicher Assistenz beim Suizid durch den Deutschen Ärztetag und einige Landesärztekammern kanzeln die Professoren als verfassungswidrig ab.

Eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit in einer Angelegenheit, die ethisch hochgradig umstritten sei, bedürfe einer gesetzlichen Grundlage.

Die will der Bundestag bis Ende 2015 schaffen. Nach der parlamentarischen Sommerpause wollen die Abgeordneten das Thema in interfraktionellen Gruppen beraten.

"Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe", reagierte BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery auf die Veröffentlichung. Die Suizidbeihilfe dürfe nicht zum Regelangebot des Arztes werden, sagte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat bereits klar gestellt, dass er für ein absolutes Verbot der Beihilfe zum Suizid werben wolle.

Der SPD-Politiker Professor Karl Lauterbach hat sich dagegen zu Wochenbeginn dafür ausgesprochen, Beihilfe zur Selbsttötung in engen Grenzen zu erlauben. Auf einer vergleichbaren Linie liegen auch CDU-Politiker, zum Beispiel Bundestagsvizepräsident Peter Hintze.Der Deutsche Ethikrat hat dafür plädiert, jede Form der organisierten Suizidbeihilfe zu regulieren, nicht nur die gewerbsmäßige.

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