Sterbehilfe

Parlamentarier wollen Ärzte rechtlich absichern

Was darf ein Arzt am Ende des Lebens leisten? Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten hat einen ersten Vorschlag formuliert. Dabei setzen sie nicht auf Regelungen im Strafrecht.

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Stellten ein Eckpunktepapier zur Sterbehilfedebatte vor: Dagmar Wöhrl (CSU), Karl Lauterbach (SPD), Carola Reimann (SPD), Peter Hintze (CDU), Katherina Reiche (CDU) und Burkhard Lischka (SPD) (von links).

Stellten ein Eckpunktepapier zur Sterbehilfedebatte vor: Dagmar Wöhrl (CSU), Karl Lauterbach (SPD), Carola Reimann (SPD), Peter Hintze (CDU), Katherina Reiche (CDU) und Burkhard Lischka (SPD) (von links).

© von Jutrczenka / dpa

BERLIN. Selbstbestimmung bis ans Lebensende, ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten sowie Rechtssicherheit für Mediziner: Unter dem Titel "Sterben in Würde - Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte" hat eine Gruppe von Parlamentariern um den Bundestagsvizepräsidenten Peter Hintze (CDU) ein erstes Eckpunktepapier zur Debatte um die Sterbehilfe vorgelegt.

"Wir erkennen an, dass es Situationen gibt, in der auch die palliativmedizinische Versorgung keinen Ausweg mehr kennt. Und dann muss der Sterbende selbst entscheiden können, was er noch ertragen kann", sagte Hintze bei der Vorstellung eines Eckpunktepapiers vor Journalisten in Berlin.

Zu der Gruppe der Parlamentarier gehören auch Carola Reimann (SPD), Professor Karl Lauterbach (SPD), Burkhard Lischka (SPD) sowie Katherina Reiche (CDU) und Dagmar Wöhrl (CSU).

Sie bezeichnen sich selbst als eine Gruppe von Parlamentariern, die aus der Mitte der Gesellschaft und Mitte der großen Koalition Überlegungen festgehalten haben. Ausdrücklich sei kein Gesetzesvorschlag formuliert worden - andere Abgeordnete aus Koalition und Opposition sollen so zur Debatte und zur gemeinsamen Formulierung der Positionen eingeladen werden.

Nach der Aussage von Carola Reimann hätten viele andere Fraktionen und Abgeordnete noch nicht mit der Meinungsbildung begonnen.

Sieben Voraussetzungen für Ärzte

Zum Kern des Vorschlages der Gruppe um Hintze und Reimann gehören sieben Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Arzt, der ärztliche Hilfe zur Beendigung eines Lebens leistet, nicht nach einem neuen Paragrafen im Zivilrecht sanktioniert werden kann:

"Wir wollen Rechtssicherheit für Ärzte und lehnen eine weitergehende Regulierung ärztlichen Handelns mit den Mitteln des Strafrechts ab", heißt es in dem Eckpunktepapier. Zum einen muss der Patient volljährig sein, die volle Zurechnungsfähigkeit haben, eine irreversibel zum Tode führende Erkrankung sowie einen hohen Leidensdruck haben.

Von ärztlicher Seite muss es eine ausführliche Beratung über alle palliativmedizinische Möglichkeiten geben, ebenso muss ein zweiter, unabhängiger Arzt in die Entscheidung mit einbezogen werden. Um eine sichere rechtliche Grundlage für Ärzte zu schaffen, bleibt die Vollzugshandlung beim Patienten.

Wichtig ist bei diesem Vorschlag die Unterscheidung zwischen Straf- und Zivilrecht: Während beispielsweise die Überlegungen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und seinem CDU-Parteikollegen Volker Kauder in Richtung Bestrafung der Ärzte durch das Strafrecht geht, will die Gruppe um Hintze einen entsprechenden Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch einführen.

"Damit ermöglichen wir einen letzten Freiraum für mitfühlendes ärztliches Handeln", erklärte Burkhard Lischka, Rechtspolitiker der SPD. Er betonte, dass diese Entscheidung Menschen treffen, "die Leben wollen, aber auch wissen, dass sie den Kampf um ihr Leben verloren haben."

Ähnlich argumentierte Katherina Reiche: "Es sind extreme Situationen mit einem extremen Dilemma, die nicht durch rechtliche Dogmen bedrängt werden sollte."

Ja zum Verbot der organisierten Sterbehilfe

Ein Verbot der organisierten Sterbehilfe befürwortet die Gruppe ausdrücklich. "Wir sind davon überzeugt, dass wir mit beiden Regeln Sterbehilfevereinen den Boden entziehen", erklärte Hintze.

"Organisierte Sterbehilfe ist, wenn unser Antrag durchgeht, nicht mehr nötig, da Ärzte, denen der Patient vertraut, mit einbezogen werden", erklärte Lauterbach.

Vor allem die unterschiedlichen Regelungen in den 17 Landesärztekammern kritisiert die Abgeordneten Gruppe. "Einzelne Landesärztekammern greifen stark in die Gewissensentscheidung ein. Ich hoffe, dass alle Kammern so weise sein werden wie die bayerische, die die entsprechende Regelung aus der Musterberufsordnung anders formuliert hat", erklärte Dagmar Wöhrl.

Dort heißt es: "Der Arzt hat Sterbende unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen."

In der (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer lautet die Formulierung: "Ärztinnen und Ärzte haben Sterbende unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten."

Nach den Worten von Lauterbach gebe es in einigen Kammern "eine unerträgliche Situation", da über das Thema keine breite Debatte innerhalb der Ärzteschaft geführt worden sei, so Lauterbach. Die Bundesärztekammer wollte sich auf Anfrage dazu noch nicht äußern.

Eine erste Orientierungsdebatte soll am 13 November im Plenum des Bundestages stattfinden. Auch werde eine erste Anhörung zum Thema geplant, sagte Hintze. (bee)

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