Hospizgespräch

Politiker reden mit Schülern über den Tod

Niemand spricht gerne über ihn, und doch kommt keiner an ihm vorbei: Der Tod ist in unserer Gesellschaft mitunter ein schwieriges Thema. Beim 100. Aachener Hospizgespräch haben sich nun Hermann Gröhe (CDU) und Ulla Schmidt (SPD) den sensiblen Fragen von Grundschülern gestellt.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

STOLBERG. Wenn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) an seinen eigenen Tod denkt, teilt er mit vielen anderen vor allem eine Sorge: Er möchte den letzten Weg nicht allein gehen. "Menschen, die mit mir Angst und Unsicherheit aushalten, sind mir das Wichtigste", sagte Gröhe beim 100. Aachener Hospizgespräch in Stolberg.

Der Politiker hatte sich ebenso wie die ehemalige Gesundheitsministerin und heutige Bundestags-Vizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD) den Fragen von vier Aachener Grundschülern gestellt. Sie wollten von den Politikern unter anderem wissen, wie sie sich ihren eigenen Tod wünschen.

Auch für Schmidt spielt die Begleitung im Sterbeprozess eine wichtige Rolle, ebenso wie Befreiung von Schmerzen. "Man hofft auch, dass man noch selbst bestimmen kann", erklärte sie den Kindern.

Der Tod gehört für Minister Gröhe in die Mitte der Gesellschaft, deshalb hält er es für wichtig, dass sich schon Kinder damit beschäftigen. Aufgabe der Politik sei es, die notwendigen Rahmenbedingungen zu gestalten.

Flächendeckende Versorgung

"Wir schulden den Menschen Begleitung, Zuwendung und Medizin auf der Höhe der Zeit", betonte Gröhe. Dazu will die Koalition mit dem Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung beitragen, zu dem Gröhe im November Eckpunkte vorgelegt hat (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

Ein wesentliches Ziel sei es, flächendeckend spezifische Angebote für Schwerstkranke und Sterbende zur Verfügung zu stellen, sagte er. "Wir müssen das, was wir heute können, auch überall in diesem Land anbieten. Das ist der entscheidende Punkt."

Außerdem müsse die Information verbessert werden. "Viele Menschen wissen nicht, was Palliativmedizin heute leisten kann."

Wie wichtig Anstöße von Seiten der Politik sind, zeigt nach Gröhes Einschätzung der gesetzliche Anspruch auf die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Seit 2009 hätten sich die Ausgaben in diesem Bereich verzehnfacht.

Jetzt gehe es darum, auch die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) voranzubringen. Notwendig seien neue, qualitativ hochwertige Leistungen und eine stärkere Vernetzung. "Die häusliche Krankenpflege soll unter dem Gesichtspunkt der Begleitung in der letzten Lebensphase eine besondere Stärkung erfahren."

Klar ist für ihn, dass es für die zusätzlichen Leistungen auch zusätzliches Geld geben muss. "Das Netzwerken und die Teambildung können als eigenständige Leistung anerkannt und vergütet werden", sagte Gröhe.

Die AAPV sei zurzeit ein großes Dilemma, bestätigte Dr. Eckhard Eichner, Leitender Arzt des Netzwerks Augsburger Palliativversorgung. "Die SAPV ergänzt etwas, was in Deutschland nicht definiert ist", sagte er.

Nötig sei ein gesetzlicher Anspruch auch auf die AAPV. Sie sei schließlich anders als die SAPV nicht nur für zehn Prozent der Sterbenden da, "sondern für die anderen 90 Prozent".

Mehr Lehrstühle für Palliativmedizin

Zum Ausbau der Angebote für Schwerstkranke und Sterbende gehört für Gröhe auch die Schaffung weiterer Lehrstühle für Palliativmedizin. Das forderte auch Michael Wirtz, Vorstandsvorsitzender der Grünenthalstiftung für Palliativmedizin.

Das Pharmaunternehmen Grünenthal unterstützt gemeinsam mit der Caritas im Bistum Aachen und der StädteRegion Aachen die Aachener Hospizgespräche.

Es gehe nicht an, dass es in einer Region wie Berlin-Brandenburg, in der mehrere Millionen Menschen leben, keinen solchen Lehrstuhl gibt, sagte Wirtz.

Er plädierte auch für den Ausbau der Versorgungsforschung in diesem Bereich.

"Mehr wissenschaftliche Untersuchungen sind unbedingt notwendig, damit in den Diskussionen nicht zu sehr auf Einzelfälle Bezug genommen wird", sagte Wirtz - und verwies auf die öffentlich angekündigte Selbsttötung der schwerkranken US-Amerikanerin Brittany Maynard.

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