Schwerstkranke

Plädoyer für interprofessionelle Ärzteteams

Bei der Versorgung von Schwerst- und Sterbenskranken wird in Zukunft kein Weg an interprofessioneller Kooperation vorbeiführen. Das ist die Kernbotschaft eines Symposiums des Instituts für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Diskussion am Krankenbett: Nichts geht ohne Teambildung.

Diskussion am Krankenbett: Nichts geht ohne Teambildung.

© Wavebreakmedia / Getty Images

DÜSSELDORF. Angesichts der komplexer werdenden Versorgungswelt und der zunehmenden Zahl von Patienten mit chronischen Erkrankungen wird die abgestimmte Zusammenarbeit aller Beteiligten immer wichtiger. Gerade bei der Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden spricht viel für die Bildung von interprofessionellen Teams. Ein Selbstläufer sind sie aber nicht.

"Man kann den Schalter nicht einfach umlegen", sagte der Forscher und Berater Dr. Beat Sottas auf dem Symposium "interprofessionell – sektorübergreifend – regional vernetzt" des Instituts für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein (IQN). Sottas ist auf den Bereich Bildung in Gesundheitswesen und Gesundheitspolitik spezialisiert und war unter anderem mehrere Jahre Abteilungsleiter im schweizerischen Bundesamt für Gesundheit.

Arbeit an Wertvorstellungen

Der Übergang aus eher hierarchischen Systemen zur interprofessionellen Kooperation erfordert eine umsichtige Organisationsentwicklung, sagte er. Der Aufbau der Team-Strukturen benötigt Zeit und ist mit Kosten verbunden. Ein weiterer wichtiger Faktor: "Man muss an den Haltungen und Wertvorstellungen arbeiten."

Sottas hat internationale Publikationen zum Thema interprofessionelle Zusammenarbeit ausgewertet, die nach seinen Angaben Evidenz für den Nutzen der interprofessionellen Kooperation liefern. Sie macht die Menschen zufriedener, hält sie länger im Job, erhöht die Effektivität und Qualität der Versorgung deutlich, ebenso die Zufriedenheit der Patienten.

Weltweit gehe die Entwicklung in Richtung interprofessionelle Zusammenarbeit, sagte er. "Wenn Versorgung gelingen soll, braucht man multiprofessionelle Teams und den Mut, die Berufsausübung zu hinterfragen."

Das IQN-Symposium war der Abschluss einer interprofessionellen Schulung für Ärzte, Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte zur besseren Kommunikation bei der Versorgung Schwerstkranker. "Interprofessionelle Fortbildungen können nach Auffassung der Projektbeteiligten ein Schlüssel zur interprofessionellen Zusammenarbeit sein", erläuterte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Sie förderten das Verständnis der Besonderheiten in den einzelnen Versorgungsbereichen. "Interprofessionelles Lernen erweitert zudem die Kenntnisse über Fachkompetenzen, Möglichkeiten und Grenzen der jeweils anderen Gesundheitsfachberufe", sagte Henke.

Versorgungsteams können auf Dauer nur dann gut arbeiten, wenn sie über funktionierende Kommunikationsstrukturen verfügen, betonte Professor Christian Schütte-Bäumner, Leiter des Studiengangs Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit an der Hochschule Rhein-Main. Er hat die Bedeutung der Kommunikation in Teams zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung untersucht. Bei dieser komplexen Versorgung schätzen die einzelnen Berufe Versorgungsnotwendigkeiten oft anders ein. Die Gefahr: "Durch unterschiedliche Deutungen, unterschiedliche Fachsprachen und einen unterschiedlichen Habitus entstehen Missverständnisse", sagte Schütte-Bäumner, der selbst in einem Palliative Care Team gearbeitet hat. Für ihn gehören Kommunikationsstrukturen und Coaching-Angebote zu den Rahmenbedingungen für funktionierende Teamarbeit.

Zusammearbeit braucht Zeit

Es ist wichtig, die Sichtweisen und die Kompetenzen aller Beteiligten ernst zu nehmen, bestätigte Veronika Schönhofer-Nellessen, Leiterin der Servicestelle Hospiz und Geschäftsführerin des Vereins Palliatives Netzwerk in Aachen. Offene Foren und runde Tische sind nach ihrer Erfahrung eine gute Möglichkeit, zu einer abgestimmten, strukturierten und wertschätzenden Zusammenarbeit im Netz zu kommen.

"Kooperation braucht Zeit", betonte Schönhofer-Nellessen. Es dauere, bis die notwendigen Strukturen aufgebaut sind. Das sei auch mit Kosten verbunden. Sie ist aber überzeugt, dass sich die Investitionen in Versorgungsteams und -netze lohnen. "Sie sind hilfreiche Konstrukte, um die Menschen gut zu versorgen."

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