Objektive Parameter

Qualität wird messbar

Objektive Qualitätsmessung ist für Ärztenetze keine Hexerei mehr. Sie wird immer stärker zur Routine.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Ein Kompass der Qualität: Mit objektiven Parametern soll Qualität messbar gemacht werden.

Ein Kompass der Qualität: Mit objektiven Parametern soll Qualität messbar gemacht werden.

© Butch / fotolia.com

BERLIN. "Qualität ist, wenn der Kunde wiederkommt." Auf diesen griffigen Nenner bringt Dr. Carsten Jäger vom Ärztenetz Südbrandenburg eine mögliche Definition des Begriffs Qualität.

Aber mit solch einfachen und globalen Aussagen geben sich Ärzte längst nicht mehr zufrieden.

Viele Mediziner, insbesondere in Ärztenetzen, haben sich auf den Weg gemacht, objektive Parameter zu nutzen, die ihnen helfen, die Qualitätsverbesserung ihrer Arbeit sukzessive auch für außenstehende, etwa für Krankenkassen transparent zu machen.

Die Methoden sind immer noch vielfältig und keineswegs vereinheitlicht, wie auf einem Symposion der Agentur deutscher Arztnetze, des Göttinger AQUA-Instituts und des AOK-Bundesverbandes in Berlin deutlich wurde.

Objektive Qualität anhand von Vitalparametern

Das Ärztenetz Südbrandenburg erstellt beispielsweise alle zwei Jahre einen Bericht über die Patientenzufriedenheit. Die Weiterempfehlungsrate der Netzärzte sei, so Jäger "überragend hoch".

Ergänzt wird dieses Instrument durch eine Mitgliederbefragung, die vor allem der Selbstkritik und daraus resultierender Verbesserungsprozesse dient.

Die Messung objektiver Qualität beispielsweise anhand von Vitalparametern sei jedoch am Datenaufwand gescheitert. Andere Indikatoren lassen sich relativ gut ermitteln: etwa das Ausmaß an Fortbildung (Sollwert 60 Stunden), die Nutzung der zentralen Patientenakte (Nutzung mindestens zu 80 Prozent) oder das Ausmaß an Polypharmazie bei über 64-Jährigen (Ziel unter 25 Prozent).

Tatsächlich ergibt sich bei den Netzmitgliedern eine große Spannweite zwischen bestem und schlechtestem Wert.

Als pragmatischen Weg zur Korrektur hat sich das Netz zu Pärchen-Bildungen entschlossen: Wechselseitige Hospitationen von Ärzten mit Bestnoten und problematischen Werten. Die Hoffnung ist, dass Ärzte sich dem Best-Practice-Niveau annähern.

Kooperation mit der AOK

Objektive Qualitätsmessung, so fordert Jäger einmütig mit seinen Kollegen, muss auf der Basis von Routinedaten erfolgen, um den zusätzlichen Aufwand möglichst klein zu halten.

Gute Voraussetzungen hat sich dabei Solimed durch einen Kraftakt am Anfang geschaffen, wie Karsten Kuypers erläutert.

Die Teilnehmer in Solingen, insgesamt 71 Gesellschafter, darunter auch drei Kliniken, haben ihre EDV-Systeme vereinheitlicht und damit die Basis für eine systematische Kommunikation bei Netzpatienten geschaffen.

2013 wird die Netzversorgung (IV-Verträge hat Solimed mit der Barmer und der AOK Rheinland) um Heim- und ambulante Pflege erweitert. Kernstück ist der elektronische Pflegebericht.

Mithilfe der AOK Rheinland sei es gelungen, orientiert am QISA-Indikatorenset des AQUA-Instituts, ohne Mehraufwand Routinedaten für die Qualitätssicherung zu verwenden. Kennzahlen über die Netzärzte ermöglichen einen Verbesserungsprozess, sukzessive sollen die Qualitätsdaten entpseudonymisiert werden und damit auch für eine externe Transparenz verwendet werden.

QuE erstellt monatlich Fehlerbericht

Weit gediehen - auch in der Außenwirkung - ist das Arztnetz Qualität und Effizienz (QuE) in Nürnberg, eines der ältesten Netze in Deutschland.

Zu bestehenden IV-Verträgen mit der AOK, LKK und BKK in Bayern sind 2012 weitere mit der TK und Barmer GEK hinzugekommen, die neben den Kliniken auch die Pflege einbezogen haben.

Monatlich wird bei QuE ein anonymisierter Fehlerbericht erstellt. Für die insgesamt 50 Qualitätszirkel werden Qualitätsindikatoren genutzt, die teilweise je nach Prioritätensetzung in einer Periode variieren, die teilweise aber auch dauernd erhoben werden und so Auskunft über Langzeitveränderungen ergeben, berichtet Dr. Veit Wambach.

Dabei grenzt das Ärztenetz auch erfolgreich das Ausmaß an Polypharmakotherapie ein. 40 Prozent der Frauen und 35 Prozent der Männer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, erhalten dem Sachverständigenrat zufolge im Schnitt in Deutschland neun oder mehr Wirkstoffe in Dauertherapie.

Bei QuE-Patienten sind es nur 15,7 Prozent der Patienten in der gleichen Altersgruppe. Dabei nimmt das Ausmaß an Polymedikation in letzter Zeit dramatisch zu.

Neue Qualitätsparameter für drei Indikationen

Seit 2005 entwickelt das AQUA-Institut Göttingen Indikatoren zur Messung der Qualität in Arztpraxen. Aktuell sind jetzt Qualitätsparameter für die Indikationen Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Depression neu erstellt worden.

Ansatzpunkte für Qualitätsverbesserungen sieht AQUA-Chef Professor Joachim Szecsenyi in der möglichen Überversorgung etwa bei koronarinterventionellen Maßnahmen, Unter- oder Fehlversorgung in der Prävention und der Hypertonietherapie sowie bei der Bewältigung von Schnittstellenproblemen in einer Versorgungskette.

Aus potenziell 203 Indikatoren wurde ein Set von 13 Parametern gefunden, die wissenschaftlich gut begründet sind, die sich aus Routinedaten der Kassen ableiten lassen und die Ärzte selbst beeinflussen können. Für die Herzinsuffizienz hat AQUA neun praxisrelevante Indikatoren ermittelt. Für die Depression - Problem: großer Leidensdruck der Patienten, Koordinationsprobleme, nicht angemessene Pharmakotherapie - stehe die Arbeit kurz vor dem Abschluss.

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