KV-Versorgungsatlas

Kein Königsweg für Nordrhein

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Eigeneinrichtung, Praxisneugründungen oder Medizinische Versorgungszentren: Für 2030 erwartet die KV Nordrhein eine vielfältige Versorgungslandschaft. Das zeigt ein Report, der von Ministerium und Kassen gelobt wird.

Von Ilse Schlingensiepen

DÜSSELDORF. Wenn es um die Versorgung mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten geht, bietet Nordrhein ein vielfältiges Bild.

Während in Bad Honnef ein Hausarzt auf rund 1000 Einwohner kommt, sind es im niederrheinischen Kranenburg 4000. (Siehe hausärztliche Versorgung in den Regionen der KV Nordrhein)

In Bonn versorgt rechnerisch ein Facharzt 473 Einwohner, in Nettersheim in der Eifel ist es mit 15.374 ein Vielfaches.

Bei der Sicherstellung muss die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) künftig auf die differenzierten Anforderungen differenziert reagieren, betont der Vorstandsvorsitzende Dr. Peter Potthoff.

"Es gibt in der KVNo keinen Königsweg, das Spektrum wird breit sein", sagte Potthoff bei der Vorstellung des Versorgungsreports 2013 der KVNo. "Von der Eigeneinrichtung bis zur Neugründung einer Einzelpraxis wird es im Jahr 2030 alles geben."

Hausärzte im Schnitt 53 Jahre alt

Mit dem Versorgungsreport hat die KVNo nach eigenen Angaben bundesweit erstmalig eine umfassende Analyse der aktuellen Versorgungssituation vorgelegt, flankiert von einer Projektion für das Jahr 2030 und einer Darstellung der versorgungspolitischen Herausforderungen.

Ergänzt wird die Broschüre durch das Online Portal www.versorgungsreport.de mit weiteren Informationen. "Der Versorgungsreport liefert uns Hinweise über Art, Ort und Zeitpunkt künftiger Engpässe in der Versorgung", sagte Potthoff.

Die Analyse soll ein fortlaufender Prozess sein, kündigte er an: "Wir werden versuchen, aus der Situation heraus frühzeitig zu reagieren." Das aktuelle Durchschnittsalter der Hausärzte beträgt 52,7 Jahre.

Nach der Projektion müssen bis 2030 in Nordrhein 5000 Hausärztinnen und Hausärzte ersetzt werden. Wenn es bei der Niederlassung so weiter läuft wie bisher, bleiben 1700 Sitze unbesetzt.

"Wir brauchen mehr als 200 Allgemeinmediziner jährlich, aber wir bekommen 100", berichtete er.

Mehr Transparenz für Diskussion

Der Report dient dazu, Transparenz zu schaffen. Damit reagiere die KVNo auch auf die Tatsache, dass Fragen der Versorgung immer stärker im Fokus der Öffentlichkeit stehen, sagte Potthoff.

Die KV stellt den Bericht Ärzten, Politikern, Versorgungsforschern und anderen Wissenschaftlern zur Verfügung. "Wir wollen in die Diskussion einsteigen", betonte Johannes Reimann, Leiter des KVNo-Referats Gesundheitspolitik.

Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) begrüßte die Initiative. "Es gut, dass wir jetzt eine Plattform haben, auf der wir über die Ist-Analyse einen Konsens herstellen können."

Gerade angesichts der demografischen Entwicklung sei klar, dass neue, zielgerichtete Versorgungskonzepte nötig sind.

"Es wird keine eindimensionalen Lösungen geben, wir werden nicht mit einer Antwort in der Fläche alles regeln können", sagte Steffens.

Lob von Ministerin und Kasse

Um flexibel auf die unterschiedlichen Bedarfe vor Ort reagieren zu können, bräuchten die Länder neue sektorübergreifende Planungskompetenzen, forderte sie.

Dabei könnten die Landesgremien nach Paragraf 90a Sozialgesetzbuch V eine wichtige Rolle spielen. "Man müsste die sektorübergreifende Planung modellhaft erproben können."

Damit sollte frühzeitig begonnen werden, bevor echte Mangelsituationen entstehen.

Auch der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg Günter Wältermann plädierte für bedarfsorientierte Ansätze. "Es wird nicht eine Paradelösung für alle geben. Wir müssen Region für Region vorgehen."

Wältermann hält den Versorgungsreport für eine gute Basis in der Diskussion über die künftige Ausgestaltung der ambulanten Versorgung. "Er ist ideologiefrei und sachlich orientiert."

Es gebe bereits eine Vielzahl guter Werkzeuge und Gestaltungsmöglichkeiten, um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, sagte er. "Die Herausforderung der Zukunft wird die Schnittstelle ambulant/stationär sein."

Angst vor Niederlassung nehmen

Wenn es um die Bekämpfung des Ärztemangels geht, sollte nach Einschätzung von Christiane Thiele, Kinder- und Jugendärztin in Viersen, ein Aspekt nicht vergessen werden: "Wir müssen den Kollegen die Angst vor der Niederlassung nehmen", forderte sie.

Die Klagen über die negativen Rahmenbedingungen hätten in den vergangenen Jahren viele Mediziner von dem Schritt in die Praxis abgehalten.

In der öffentlichen Darstellung sind die positiven Aspekte des freiberuflich tätigen Arztes zu sehr vernachlässigt worden, glaubt Thiele.

"Ich habe Handlungs- und Therapiefreiheit, kann selbst entscheiden."

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