DMSG fordert

MS-Patienten in Kompetenzzentren behandeln

Die Deutsche Gesellschaft für Multiple Sklerose hat ein Kompetenz-Modell für Kliniken und niedergelassene Neurologen entwickelt. Die Kassen bleiben zurückhaltend.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Diagnose Multiple Sklerose: Die Versorgung der Erkrankten muss stärker gebündelt werden, fordert die DMSG.

Diagnose Multiple Sklerose: Die Versorgung der Erkrankten muss stärker gebündelt werden, fordert die DMSG.

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KÖLN. Die Versorgung von Patienten mit Multipler Sklerose muss stärker als bisher bei Ärzten und Kliniken gebündelt werden, die eine besondere Expertise haben, fordert die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG).

"Wir halten MS-Kompetenzzentren auf allen Versorgungsebenen für sinnvoll", sagt Bundesgeschäftsführerin Dorothea Pitschnau-Michel.

Die DMSG hat die Zertifikate "Anerkanntes MS-Zentrum" und "Regionales MS-Zentrum" entwickelt. Sie erhalten MS-Akutkliniken, MS-Rehabilitationskliniken, MS-Schwerpunktpraxen und neurologischen Praxen, die definierte qualitative und quantitative Kriterien erfüllen.

Inzwischen gibt es 140 Zentren. Bei Patienten und Ärzten gebe es Bedarf an ausgewiesenen Kompetenzzentren, sagt Pitschnau-Michel. "Bei so komplexen Erkrankungen wie MS ist Orientierung wichtig."

Mindestmengen sind ein Kriterium

Zu den Kriterien gehören die kontinuierliche Betreuung einer Mindestzahl von MS-Patienten: 400 Patienten im Jahr bei Akutkliniken und Schwerpunktpraxen, 120 bei regionalen neurologischen Praxen.

Weitere Kriterien sind die standardisierte Befunderhebung und -dokumentation im DMSG-Register sowie leitliniengestützte Behandlungskonzepte.

Die Mindestzahl von 120 Patienten gilt auch für die Kliniken, die MS-Patienten ambulant behandeln dürfen. Pitschnau-Michel hofft, dass dieses Kriterium durch die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nicht aufgeweicht wird.

Es mache keinen Sinn, Praxen zuzulassen, die weniger Patienten versorgen. "Der neue Versorgungssektor darf nicht zu einer Absenkung des Niveaus führen."

Von der Politik fordert sie mehr Rückhalt für die Förderung des Kompetenzgedankens. "Wir würden uns wünschen, dass die Politik nicht länger nur Hausarzt-Modelle in den Vordergrund ihrer Überlegungen stellt."

Die einheitliche Dokumentation der Behandlung in den mit dem DMSG-Zertifikat ausgezeichneten Zentren gibt der DMSG eine gute Basis, um Forderungen an Politik und die Kassen mit Daten zu untermauern.

Inzwischen sind Daten von mehr als 35.000 Patienten verfügbar. "Wir haben die einzige Datenbank in Deutschland mit einem derartigen Umfang für das Krankheitsbild MS."

"Kassen denken zu kurzfristig"

Pitschnau-Michel bemängelt, dass es auch bei der Versorgung von MS-Kranken nach wie vor an der Kooperation der Behandler und integrierten Strukturen mangelt. "Die vernetzte Versorgung bringt den Kassen keine direkte Kostenersparnis", sagt sie.

Die Erfahrungen zeigten aber, dass die Modelle für die Patienten positiv sind, gerade was die Lebensqualität betrifft. "Die Lebensqualität findet in der Gestaltung der Versorgung nach wie vor viel zu wenig Berücksichtigung."

Auch Dr. Uwe Meier, der Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Neurologen (BDN), kritisiert das Schielen der Kassen auf den kurzfristigen finanziellen Erfolg von Integrationskonzepten. "Gerade bei der Versorgung chronisch Kranker stellen sich die Erfolge oft erst nach Jahren ein."

Zwar gibt es einige viel versprechende Konzepte zur integrierten Versorgung von Menschen mit MS, die vor allem auf dem Engagement einzelner beruhen. "In der flächendeckenden Versorgung passiert aber immer noch viel zu wenig", betont Meier. Es hält es für notwendig, verstärkt Anreize für die Vernetzung zu setzen.

Modell seit 2006

Dass die integrierte Versorgung wirkt, zeigt ein Vertrag zur integrierten Versorgung im Rheinland, an dem Meier maßgeblich beteiligt ist.

Das Modell, das im Juni 2006 angelaufen ist, ist vom BDN, der AOK Rheinland/Hamburg und der DMSG entwickelt worden. Weitere Kassen sind beigetreten.

Es beteiligen sich 126 niedergelassene Neurologen oder Nervenärzte und zwölf Kliniken. Sie müssen definierte Qualitätskriterien erfüllen. Die Mediziner arbeiten mit sektorübergreifenden Behandlungspfaden und einer standardisierten Dokumentation.

Nach den bisherigen Auswertungen hat sich durch die strukturierte Zusammenarbeit die Zahl der Klinikaufenthalte halbiert. Zudem zeigen die Daten eine günstige Beeinflussung des Behandlungsverlaufs.

Die Patienten profitieren von den erweiterten Behandlungsmöglichkeiten der Neurologen und der abgestimmten Versorgung, berichtet Bernd Faber von der AOK Rheinland/Hamburg, Leiter des Projektbeirats und selbst an MS erkrankt. "Die Patienten fühlen sich besser aufgehoben und sind zufriedener", sagt er.

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