Oberbergischer Kreis

Plädoyer für kommunalen Rettungsdienst

Der Oberbergische Kreis in NRW betreibt seit drei Jahren selbst den Rettungsdienst. Auf dem Notfallmedizinkongress in Wiesbaden hat ein Vertreter über die guten Erfahrungen berichtet.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:

WIESBADEN. Rettungsdienst aus kommunaler Hand statt ein Gezerre verschiedener Hilfsanbieter im EU-Ausschreibungsverfahren - für diesen Weg plädiert Dr. Ralf Mühlenhaus. Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) des Oberbergischen Kreises in Nordrhein-Westfalen stellte am Donnerstag auf dem 5. Interdisziplinären Notfallmedizinkongress DINK in Wiesbaden die Erfahrungen seines Landkreises vor.

Dort wurde der Rettungsdienst im Jahr 2011 kommunalisiert. Hintergrund war damals ein Edikt aus dem NRW-Gesundheitsministerium, das den Kommunen die Entscheidung aufzwang, neue Rahmenbedingungen für den Rettungsdienst zu schaffen.

Entweder sollten die Kommunen die medizinische Notfallversorgung kommunalisieren, also aus eigener Hand anbieten, oder sich dem EU-Vergabeverfahren unterwerfen - mit der Folge, dass der Rettungsdienst ausgeschrieben werden muss und sich die zahlreichen gemeinnützigen und privaten Anbieter bewerben können.

Kommunen und Experten aus dem Rettungswesen treiben Probleme und grundsätzliche Fragen bei der Ausschreibung seit Jahren um. Bekannt sind juristische Streitereien zwischen den Anbietern und mit den Kommunen als Träger des Rettungsdienstes - mit Ausnahme Baden-Württembergs, wo die Organisationen selbst die Träger sind.

Alle früheren Mitarbeiter übernommen

Der Oberbergische Kreis wollte das vermeiden und entschied sich 2011 für den kommunalen Weg. Bis dahin hatte es in dem Landkreis das berühmte, nach der Kreisstadt benannte "Gummersbacher Modell" gegeben.

In Anlehnung an die Vorreiter aus Heidelberg und Köln war 1963 in dem Landkreis die arztbesetzte Notfallrettung eingeführt worden. Klinikärzte rückten bei einem Notruf vom Krankenhaus mit einem speziellen Fahrzeug zum Unfallort aus.

Drei Kliniken sowie das Rote Kreuz und die Johanniter-Unfallhilfe stellten in dem Kreis mit rund 300.00 Einwohnern den Rettungsdienst. Das Problem: Jeder der fünf Anbieter hatte nicht nur andere Fahrzeuge, Kleidung und Ausstattung, auch die Qualifikation des Rettungspersonals unterschied sich laut Mühlenhaus.

Der Landkreis mit 13 Kommunen hat all das mit seinem "harten Cut" zum Jahresbeginn 2011 geändert. Der Rettungsdienst wurde vollständig in Kreishand übernommen, seither ist der Träger auch Leistungserbringer.

Der Kreis hat alle 170 Mitarbeiter aus dem früheren Rettungsdienst übernommen. Sie arbeiten nun mit TvÖD beim Amt 38, das Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz und die zentrale Leitstelle bündelt. Bislang ist die Zahl der hauptamtlich beschäftigen Retter auf 200 Rettungsassistenten und -sanitäter gestiegen.

Außerdem arbeiten 14 hauptamtliche Notärzte für den Kreis plus einen Pool von 50 freiberuflichen "handverlesenen" Fachärzten, die jährlich zu rund 44.000 Rettungseinsätzen ausrücken.

Fast keine Schnittstellenprobleme mehr

Zehn Rettungswachen betreibt der Kreis nun in Eigenregie - ähnlich wie es große Städte tun, in denen Berufsfeuerwehren den Rettungsdienst ebenfalls aus kommunaler Hand betreiben.

Zwölf Rettungswagen, sechs Notarzteinsatzfahrzeuge und zehn Krankentransportfahrzeuge gehören seit 2011 zum Fuhrpark des Kreises. Was neu ist: Die Fahrzeuge sehen nicht nur "endlich gleich aus" (Mühlenhaus), sondern sind auch einheitlich ausgestattet.

"In jeder Schublade ist das gleiche Material und das gleiche Medikament", sagt Mühlenhaus und schiebt nach: "Solche Strukturen müssen gleich sein, um eine hohe Sicherheit für die Kollegen zu gewährleisten."

Stolz ist Mühlenhaus vor allem aber auf die eigene Rettungdienstfachschule, die der Kreis gemeinsam mit der DEKRA betreibt. Dort werden nicht nur die eigenen Rettungskräfte ausgebildet.

Seit Anfang des Jahres, als der neue Beruf des Notfallsanitäters das Leben erblickt hat, profitiert der Kreis noch einmal von der Schule: Denn dort können die Sanitäter und Assistenten quasi vom eigenen Arbeitgeber für den neuen Beruf auf die Ergänzungsprüfungen vorbereitet werden.

Vorteile in der Kommunalisierung sieht Mühlenhaus ganz grundsätzliche: Denn nun gebe es deutlich weniger beziehungsweise fast gar keine Schnittstellenprobleme mehr. Für die Kostenträger, also die Kranken- und Unfallversicherer, gebe es nur noch eine Abrechnungsstelle.

"Die tragen das mit", sagte Mühlenhaus. Vor allem aber sparten sich die Kommunen "zeitaufreibende" Ausschreibungen und Probleme mit der Anbieternachfolge bei erneuten Ausschreibungen.

Keine wissenschaftliche Begleitung

Offen, das musste auch Mühlenhaus eingestehen, ist allerdings eine nicht sehr unwesentliche Frage, nämlich wie sich durch die Kommunalisierung die Patientenversorgung verändert hat. Werden Patienten schneller versorgt, sinken die Hilfszeiten, sinkt die Mortalität?

All das ist unklar, eine wissenschaftliche Begleitung gibt es nicht. "In Zukunft möchten wird aber gerne die Patientenzufriedenheit abfragen", sagte Mühlenhaus. Eine Evaluation sei sein Herzenswunsch. "Das steht auf der Agenda."

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