Höhere Impfquoten

Beim Datensalat fängt das Problem an

Die europäische Impfwoche vom 22. bis 26. April soll dazu dienen, die Impfquoten zu erhöhen. Ein wohlfeiles Ziel - doch die fehlende einheitliche Erfassung von Impfdaten erschwert die Versorgungsforschung.

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Die Umsetzungsquote der Grippeimpfung bei über 60-Jährigen variiert je nach Bundesland stark.

Die Umsetzungsquote der Grippeimpfung bei über 60-Jährigen variiert je nach Bundesland stark.

© Alexander Raths / fotolia.com

NEU-ISENBURG. "Wir wollen die Impfquoten in Deutschland erhöhen." Dieses Bekenntnis im schwarz-roten Koalitionsvertrag ermuntert zur Gegenfrage: Wie hoch sind die Impfquoten bisher? Schon hier beginnt das Problem.

Denn in Deutschland gibt es kein einheitliches System zur Erfassung von Impfdaten. Wer sich für den Impfstatus der Bevölkerung interessiert, ist auf Teilstichproben oder Querschnittsuntersuchungen angewiesen.

Bemerkenswert ist für das vergangene Jahr die bundesweit gegenläufige Entwicklung der Impf- im Vergleich zu den Arzneimittelausgaben in der GKV. Nach Angaben des Beratungsunternehmens IMS Health sind die Ausgaben der Kassen im Vergleich zu 2012 um 2,1 Prozent auf 860,8 Millionen Euro gesunken. Im gleichen Zeitraum zogen die Arzneimittelausgaben um 4,9 Prozent auf 31,705 Milliarden Euro an.

In beiden Fällen bilden die Apothekenverkaufspreise - vermindert um die Zwangsrabatte für Hersteller und Apotheken - die Datenbasis. Da die Einsparungen aus Rabattverträgen nicht berücksichtigt sind, dürften die Impfausgaben für die Kassen niedriger ausfallen.

Rückläufige Entwicklung

Hinzu kommt, dass IMS Health in dieser Auswertung aus Vergleichsgründen mit der GKV-Gesamtmarktentwicklung nur die über die Apotheken abgegebenen Impfstoffe einbezogen hat. Spezialisierte Großhändler, die zum Beispiel via Praxisbedarf direkt Impfstoffe an die niedergelassenen Ärzte liefern, sind hier nicht berücksichtigt.

Aufgesplittet nach Impfstoffgruppen wird die mit wenigen Ausnahmen rückläufige Entwicklung im vergangenen Jahr deutlich: Fast durchgängig schrumpft der Teilmarkt für Einfachimpfstoffe, am stärksten für Röteln-Vakzine (-93,2 Prozent), Grippe- (-29,8 Prozent) und Hepatitis-Impfstoffe (-11,3 Prozent). Nur Typhus- und Paratyphus-Vakzine verzeichnen, aber bei geringem Ausgabenvolumen, einen Zuwachs von 11,4 Prozent.

Mehrfachimpfstoffe, für die GKV-Ausgaben von rund 325 Millionen Euro verbucht wurden, legten um knapp neun Prozent zu. Wirtschaftlich bedeutend sind die Tetanus-Impfung (7,6 Prozent) und die Masern-/Mumps-Vakzine (12,9 Prozent).

Freilich geben die Daten zu GKV-Ausgaben nur grobe Trends über das Impfverhalten wieder. Zahlen, die von Forschern des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) zusammengetragen wurden, zeigen am Beispiel der Grippe-Impfung die großen Disparitäten in der Versorgung in Deutschland.

Daten aus dem "Versorgungsatlas" des ZI lassen erkennen, dass die Impfrate gegen Influenza bei den über 60-Jährigen von Bundesland zu Bundesland stark schwankt.

Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen liegen mit Impfraten von 61 bis 62,5 Prozent vorn. Bremen (40,4 Prozent), Saarland (39,7 Prozent) und Bayern (39,2 Prozent) bilden die Schlusslichter. Offiziell hat Baden-Württemberg mit einer Impfquote von 33,9 Prozent die rote Laterne - doch diese Zahl ist ein Artefakt.

Datenbias durch Selektivverträge

Aufgrund der dort stark verbreiteten selektiven Hausarztverträge werden diese Impfungen nicht mehr über die KV abgerechnet und gehen somit auch nicht in die Statistik ein.

Auch ob neue Impfempfehlungen tatsächlich angenommen werden, wird erst mit Zeitverzögerung sichtbar - etwa in den Daten von Schuleingangsuntersuchungen. Abhängig vom Zeitpunkt dieser Untersuchung geben die Daten Auskunft über den Impfstatus von Vier- bis Siebenjährigen, nicht aber für einzelne Geburtsjahrgänge.

Und es gibt weitere Restriktionen: So sind die Daten für die seit 2006 empfohlene Impfung gegen Pneumokokken im Jahr 2011 nur in 13 Bundesländern verfügbar gewesen.

Da das Nachholen dieser Impfung nur bis zum Ende des zweiten Lebensjahres empfohlen ist, war ein Großteil der 2011 untersuchten Kinder zum Zeitpunkt der Impfempfehlung schon älter als zwei Jahre. Es vergeht somit viel Zeit, bevor deutlich wird, inwieweit STIKO-Empfehlungen bei jüngeren Jahrgängen umgesetzt werden. (fst)

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