9. Gesundheitsforum Sachsen-Thüringen

Gesundheitsweiser fordert Versorgung aus einem Guss

Sektorübergreifende Versorgungsmodelle bedeuten gleiche Chancen für alle und kein Zwang zum Angebot einer speziellen Variante.

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:

ERFURT. Um der Forderung nach mehr Transparenz, Wettbewerb und Qualität in der Versorgung Rechnung zu tragen, müssen die politischen Rahmenbedingungen nachgebessert werden und die Gremien der Selbstverwaltung bereit sein, neue Wege zu gehen.

Darüber waren sich Experten beim 9. Gesundheitsforum Sachsen - Thüringen, das von der Techniker Krankenkasse, der KV Thüringen und Arzneimittelherstellern organisiert worden war, einig.

Professor Eberhard Wille, stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates, fordert dazu auf, das System von einer Anbieter- und sektoralen Versorgung hin zu einer populationsorientierten und Sektor-übergreifenden Versorgung umzubauen.

Zentraler Punkt eines solchen Systems sei eine Primär-, Sekundär- und (teil-) stationäre Versorgung - die Bereiche Prävention, Arzneimittelversorgung, Pflege und palliativmedizinische Versorgung würden den zentralen Bereichen zugeordnet, erläuterte Wille.

Sind 140er-Verträge das Maß aller Dinge?

Zwar habe der Gesetzgeber eine ganze Reihe von Möglichkeiten geschaffen, sektorübergreifende Versorgungsmodelle zu erproben. Für eine echte populationsbezogene Versorgung kämen allerdings nur integrierte Versorgungsformen nach Paragraf 140 SGB V infrage.

Als eine der wesentlichen Schwachstellen besonderer Versorgungsformen definierte der Gesundheitsweise die zum Teil gesetzlich sehr unterschiedlichen Anforderungen an solche Modelle.

Als Beispiele dafür nannte er die Verpflichtung der Kassen zum Abschluss von Hausarztverträgen, unterschiedliche Anforderungen an eine Evaluation oder auch eine eher zufällige Indikationsauswahl bei Disease-Management-Programmen. Wille: "Das gilt übrigens auch für unterschiedliche Förderungspraktiken."

Seine Forderung: gleiche Chancen für alle besonderen Versorgungsformen, kein Zwang zum Angebot einer speziellen Variante, aber auch keine Einengung des Vergütungsspielraums.

Darüber hinaus müsse die Evaluation bei bestimmten selektiven Verträgen, insbesondere bei spezieller finanzieller Förderung obligatorisch sein. Delegations- und Substitutionsmöglichkeiten sollten zur Entlastung von Ärzten erweitert werden.

Echter Wettbewerb braucht keine Anreize

Weniger auf finanzielle Versorgungsanreize als vielmehr auf den Wettbewerb der Anbieter im System untereinander setzt Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse. Er wünsche sich mehr Freiheiten für den Abschluss von Qualitätsverträgen. Voraussetzung dafür sei zunächst der Aufbau einer umfassenden Datenbasis über Sektorengrenzen hinweg und "während der gesamten Behandlung".

Der TK-Chef warnte allerdings vor einer Datenflut mit geringer Aussagekraft. Beispiel Qualitätsberichte der Kliniken: "für den Laien unverständlich, irrelevant oder wenig aussagekräftig."

Zusammen mit Ärzten sollte die Versorgungsqualität definiert werden. Dazu gehöre selbstverständlich auch, ein hohes Maß an Qualitätstransparenz zu schaffen - zur besseren Orientierung für Patienten. Der Einstieg in einen umfassenden Qualitätswettbewerb sollte nach Meinung von Baas dem Grundsatz folgen: "Gutes Geld für gute Qualität".

Dass die KV Thüringen ihrer Pflicht zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung nachkomme, machte KV-Chefin Dr. Annette Rommel deutlich. Ihre KV sei die Erste gewesen, die Eigeneinrichtungen gegründet habe, mit dem Ziel, die medizinische Versorgung in unterversorgten Gebieten sicherzustellen. Diese seien später von der Stiftung zur Förderung der ambulanten Versorgung in Thüringen übernommen worden.

Hier sei der Schulterschluss mit dem Thüringer Gesundheitsministerium, der AOK Plus, der Apotheker- und Ärztebank sowie weiterer Vertragspartner exzellent gelungen. Rommel: "Inzwischen haben wir in unserer Stiftung 100 Stipendiaten, die in den nächsten Jahren in die ambulante Versorgung einsteigen werden."

In diesem Zusammenhang hatte Gesundheitsministerin Heike Taubert (SPD) zuvor die Förderbedingungen erläutert. Die jungen Medizinerinnen und Mediziner erhalten über maximal 60 Monate eine monatliche Unterstützung von 250 Euro.

 Taubert: "Bedingung ist, dass diese sich in Thüringen niederlassen." Neun der Geförderten hätten dies bereits schon gemacht. Weiter Stiftungspraxen seien in Planung, sagte Heike Taubert.

Mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die künftige Klinikplanung sprach sich die Gesundheitsministerin dafür aus, an der Zahl der Kliniken im Land festhalten zu wollen.

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