Drogenbericht

Die Twens sind jetzt die Sorgenkinder

Die jungen Erwachsenen in Deutschland lassen es zu sehr krachen. In der Altersgruppe von 18 bis 30 Jahren trinken viele zu oft und zu viel Alkohol oder rauchen regelmäßig, heißt es im neuen Suchtbericht der Bundesregierung. Sorgen bereitet auch Crystal Meth.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Präsentierte den neuen Drogen- und Suchtbericht: Marlene Mortler.

Präsentierte den neuen Drogen- und Suchtbericht: Marlene Mortler.

© dpa

BERLIN. Der riskante Umgang mit Bier, Wein und Spirituosen bleibt eines der zentralen Probleme in der Drogen- und Suchtpolitik. Marlene Mortler (CSU), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, kündigte an, mit Präventionsangeboten und "Bewusstseinskampagnen" künftig vor allem die jungen Erwachsenen erreichen zu wollen.

"Der riskante Suchtmittelkonsum bei den 18 bis 29 Jahren ist eine zentrale Herausforderung. 36 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer sind davon betroffen", sagte Mortler bei der Vorstellung des aktuellen Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung am Montag in Berlin.

Laut Bericht trinken sich die 12- bis 17-Jährigen mittlerweile etwas seltener in den Rausch. Der Anteil der regelmäßigen Alkoholkonsumenten unter ihnen ist von 17,9 Prozent (2001) auf 13,6 Prozent (2012) gesunken.

Die Folgen sind dennoch dramatisch: Die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Alkoholvergiftungen ist im Lauf der Jahre stetig angestiegen. 2012 mussten sich Notärzte um insgesamt 26.673 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen zehn und 20 Jahren kümmern. 2011 hatte diese Zahl noch bei 26.351 und somit rund 1,2 Prozent unter der aktuellen Marke gelegen.

Alkoholvergiftung: Höchste Anstiegsrate bei jungen Frauen

Am meisten betroffen sind dabei die 15- bis 20-Jährigen. Besonders dramatisch hat sich der Anteil von jungen Frauen mit Alkoholvergiftung entwickelt - sie verzeichneten die höchsten Anstiegsraten. Aber auch der Anteil der 15- bis 20-Jährigen Jungen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdreifacht.

Zur Tabakprävention ergibt es aus dem Drogenbericht ein ebenso zwiespältiges Bild: Während sich die Zahl der 12- bis 17-Jährigen Tabakkonsumenten seit 2001 von 27,5 Prozent auf 12 Prozent in 2012 mehr als halbiert hat, ist das Nichtrauchen unter den Erwachsenen nicht im gleichen Maße rückläufig.

Auch hier stehen die jungen Erwachsenen an der Spitze der Altersgruppen: 29,7 Prozent der Frauen und 34,2 Prozent der Männer zwischen 18- und 29 Jahren greifen täglich zur Zigarette.

Die Drogenbeauftragte kündigte an, mit bewährten Angeboten zur Suchtprävention künftig intensiver die Gruppe der jungen Erwachsenen anzusprechen. Intensive Aufklärung soll beispielsweise verhindern, dass E-Zigarette und E-Shisha zum Einstieg in den Suchtmittelkonsum werden.

Der aktuelle Drogenbericht empfiehlt zudem, Präventionsangebote auf spezielle Zielgruppen - beispielsweise Pflegekräfte - auszurichten. Einem generellen Werbeverbot für Alkoholika, wie jüngst von Drogenexperten im alternativen Sucht- und Drogenbericht gefordert, erteilte Mortler jedoch eine Absage.

Crystal Meth zwingt Länder zur Zusammenarbeit

Außer dem übermäßigen Alkohol- und Tabakkonsum will Mortler auch den Gebrauch von illegalen Drogen in den Griff bekommen. Zentrales Thema ist dabei der Kampf gegen die "Crystal Meth". Die synthetische Substanz wird bislang vor allem im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Tschechien gehandelt und konsumiert.

Experten der beiden Länder werden künftig intensiver zusammenarbeiten, sagte Mortler. Noch sei der Crystal Meth-Konsum "kein flächendeckendes bundesweites Problem"; gleichwohl gebe es Hinweise, dass sich der Gebrauch der Droge weit über Bayern, Sachsen und Thüringen hinaus und in deutsche Großstädte ausdehne.

"Wir brauchen zielgerichtete Maßnahmen und neue Ansätze in der Prävention in den betroffenen Gebieten, um der Gefahr angemessen zu begegnen", sagte Mortler.

In die Diskussion über den richtigen Umgang mit Crystal Meth hat sich jetzt auch Sachsen eingeschaltet und eine entsprechende Vorlage im Bundesrat eingereicht. Das Bundesland fordert darin schärfere polizeiliche Kontrollen im Grenzgebiet zu Tschechien. Denn während Suchtexperten in Crystal Meth die „gefährlichste Droge der Welt“ sehen, gilt in Tschechien der Besitz von bis zu zwei Gramm der Droge als Ordnungswidrigkeit.

Neben der Intensivierung der Kontrolltätigkeit fordert Sachsen auch bundesweite Untersuchungen, um Aussagen zum Ausmaß des Konsums von Methamphetaminen machen zu können. Weiter fordert das Bundesland länderübergreifende Präventionsmaßnahmen zu initiieren und zu unterstützen, die in ihrer Zielrichtung und Wirksamkeit zu evaluieren sind. Am Freitag soll über den Vorstoß im Bundesrat verhandelt werden.

"Crystal Meth" zählt zu den "Leistungsdrogen. Es basiert auf dem Stimulanzmittel Methamphetamin, das Euphorie auslöst, die Leistungsfähigkeit steigert und das Schmerzempfinden senkt. "Crystal Meth bewirkt das genaue Gegenteil von Cannabis und Alkohol", erklärte Rafael Gaßmann, Drogenexperte von der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren.

Die Konsumenten, so Gaßmann, finden sich in der gesamten Bevölkerung: "Von der Bäckereiverkäuferinn bis hin zum Auszubildenden und zum Abgeordneten." Aktuell wird gegen den Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann (SPD) ermittelt. Er steht im Verdacht, "Crystal Meth" gekauft zu haben.

Die am weitesten verbreitete illegale Droge ist laut aktuellem Bericht nach wie vor Cannabis. Fast jeder vierte Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren gibt an, die illegale Droge genommen zu haben.

Deutlich mehr Drogentote

Die Zahl der Drogentoten ist mit 1002 Gestorbenen im Vergleich zu 944 in 2012 deutlich gestiegen. Angesichts dieser Zahlen forderte Mortler, die "Suchtprävention in der Fläche weiter auszubauen, sie zielgruppengerecht zu vertiefen und im geplanten Präventionsgesetz zu verankern".

Zu einer erfolgreichen Drogenpolitik gehöre neben der Prävention und einer effektiven Behandlung auch die gesetzliche Regulierung. Eine "falsche Botschaft" sei es, so Mortler, illegale Drogen wie Cannabis legalisieren zu wollen. Der "Gesundheitsschaden" gerade für junge Erwachsene sei immens.

Dr. Harald Terpe, grüner Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Drogenpolitik, kritisierte das Vorgehen: "Dringende Reformen werden nicht angepackt. Stillstand ist seit Jahren Alltag der Drogenpolitik." Terpe forderte, Konsumenten und Abhängige zu entkriminalisieren.

Als erster Schritt sollte beispielsweise bei Crystal-Abhängigen, die freiwillig eine Therapie beginnen, auf eine Strafverfolgung verzichtet werden. Die Angst vor der Strafverfolgung verhindere, so Terpe, dass Abhängige frühzeitig zur Drogenberatung gehen.

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