Krebsregister Berlin-Brandenburg

Stolpersteine auf dem Königsweg

Berlin und Brandenburg bauen ein gemeinsames klinisches Krebsregister auf. Diese länderübergreifende Kooperation ist bundesweit einzigartig. Doch bis alles läuft, gilt es noch einige bürokratische Hürden zu überwinden.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Ein Tumor ist in einer MRT-Aufnahme sichtbar. Die Krebsregister sollen die Krebsvorsorge verbessern.

Ein Tumor ist in einer MRT-Aufnahme sichtbar. Die Krebsregister sollen die Krebsvorsorge verbessern.

© Kasper / dpa

BERLIN. Vom Ende an die Spitze der Kampagne hat sich Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) mit dem Konzept für ein gemeinsames klinisches Krebsregister für Berlin und Brandenburg gesetzt.

Das meint zumindest die Chefin des Ersatzkassenverbandes vdek in der Region Gabriela Leyh. Ein Blick auf die Genese dieses Projektes gibt ihr Recht, auch wenn Czaja widersprach.

Die Krankenkassen hatten in der ersten Jahreshälfte vielfach kritisiert, dass für das Register in Berlin noch kein Konzept vorliegt, während andere Bundesländer schon weiter waren.

Tatsächlich drohten dem Land Berlin rund 550.000 Euro Anschubfinanzierung zu entgehen. Denn dafür musste das Konzept spätestens am 15. Oktober bei der Deutschen Krebshilfe eingereicht sein.

Vier Tage vorher war es schließlich fertig. Für diesen Parforceritt hatte Czaja eine erfahrene Mitarbeiterin seiner Verwaltung als Projektleiterin eingesetzt.

Dabei ist die bundesweit einzigartige Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg beim klinischen Krebsregister eigentlich aus der Not geboren. Denn im konfliktgeladenen Berliner Gesundheitswesen fand sich keine neutrale Institution, die das Register übernehmen wollte.

Mit der Übertragung der Aufgabe an die Ärztekammer Brandenburg ist es der Hauptstadt daher wieder einmal gelungen, aus Stroh Gold zu machen. Denn diese Lösung verspricht viele Vorteile.

Politisch schlau, wirtschaftlich vernünftig

Die beiden Länder gehen damit nicht den einfachsten Weg, aber einen sehr sinnvollen. Auch der Vertrags-Chef der AOK Nordost Harald Möhlmann bescheinigt dem Berliner Senator politische Schläue und wirtschaftliche Vernunft dafür, dass er den Weg zu einer gemeinsamen Einrichtung mit Brandenburg eingeschlagen hat.

Aus ökonomischer Perspektive verspricht die Kooperation Einsparungen. Denn Berlin nutzt damit Strukturen, die im Nachbarland längst professionell aufgestellt sind. Die Ärztekammer Brandenburg betreibt schon seit Mitte der 90er Jahre ein klinisches Krebsregister.

Das wird nun ausgebaut und in eine gemeinnützige GmbH überführt - so das Konzept. Kammervorstandsmitglied Dr. Hanjo Pohle betrachtet das als Königsweg. Denn aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht verspricht das gemeinsame Register eine deutlich größere Datenbasis als zwei einzelne Länderregister. Das stärkt die Aussagekraft der Daten.

Vorteilhaft ist auch, dass der Datenabgleich zwischen den Ländern entfällt. Gerade bei den ausgeprägten Patientenströmen zwischen Brandenburg und Berlin dürfte das eine deutliche Arbeitsentlastung bringen und die Datensicherheit erhöhen.

Bis zu 20 Prozent der Patienten in Berliner Kliniken kommen aus Brandenburg - Tendenz steigend. Für die Stadtstaaten Bremen und Hamburg gilt sicher ähnliches. Auch dort hätte sich eine Zusammenarbeit mit den Nachbarländern angeboten.

Die Hauptstadt knüpft an die Kooperation zudem die Hoffnung, dass sie die Meldemoral der Berliner Ärzte in die Höhe treibt. Für das epidemiologische Krebsregister melden die Berliner Ärzte derzeit nur 84 Prozent der Krebserkrankungen. Mindestens 90 Prozent sind für die klinischen Register gefordert.

Die aktuell geringe Beteiligung führen Kassen und Senator darauf zurück, dass in der Hauptstadt viele Krebspatienten bei niedergelassenen Ärzten behandelt werden, die offenbar fürchten, dass sie Patienten verlieren, wenn sie deren Daten an Tumorzentren melden, die von Kliniken getragen werden. "Die Brandenburger sind dann doch die neutralere Instanz", sagt Czaja.

Eine ernste Frage bleibt allerdings, wer die Aufgabe übernimmt, als dezentrale Registerstelle die Berliner Daten einzusammeln. Fest steht wohl nur, dass die Tumorzentren der Kliniken dabei nicht zum Zuge kommen sollen.

Staatsvertrag muss noch ausgearbeitet werden

Schon dieses Faktum zeigt: Auch wenn die ersten Berliner Schritte zu einem klinischen Krebsregister gerade rechtzeitig erfolgt sind, liegt noch eine große Wegstrecke vor den Akteuren in Berlin und Brandenburg. Als nächstes muss ein Staatsvertrag her.

Die Erarbeitung steht aus. Dieser Staatsvertrag bildet dann die Grundlage für die Registergesetze, die in den beiden Länderparlamenten verabschiedet werden müssen. Dabei stellen sich so komplexe staatsrechtliche Fragen wie etwa, ob eine Berliner Aufsichtsbehörde die Rechtsaufsicht über eine Brandenburger Einrichtung ausüben kann. Der Königsweg ist mitunter auch eine Holperstrecke.

Bis zum geplanten flächendeckenden Start der klinischen Krebsregister im Jahr 2016 müssen aber auch auf Bundesebene noch große Steine aus dem Weg geräumt werden. Zentrale Bedeutung hat dabei die Meldevergütung für die Ärzte.

Sie muss im Schiedsverfahren festgelegt werden, weil Kassen, Ärzte und Krankenhäuser sich nicht wie vorgesehen bis Ende 2013 einigen konnten. "Damit steht und fällt die Meldebereitschaft der Ärzte und damit wiederum die Qualität der Daten. Denn die Meldepflicht allein hilft so nicht weiter. Das zeigen die Erfahrungen in Berlin", so Czaja.

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