Schmerzdatenbank

Ärzte hoffen endlich auf valide Daten

Ein bundesweites Praxisregister kann die Versorgungsforschung bei Schmerzpatienten voranbringen. Das am 17. November startende Online-System soll für Ärzte wenig aufwändig sein.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Bisher fehlen robuste Daten etwa zur Häufigkeit unerwünschter Wirkungen in der Schmerztherapie.

Bisher fehlen robuste Daten etwa zur Häufigkeit unerwünschter Wirkungen in der Schmerztherapie.

© Marcel Mittelsiefen / dpa

BERLIN. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) gibt den Startschuss für ein neues, bundesweites Praxisregister für die Versorgungsforschung bei Schmerzpatienten. So soll eine der weltweit größten Schmerzdatenbanken mit pro Jahr über 50.000 Patientendatensätzen entstehen.

Das Register werde vor dem Hintergrund gestartet, dass viele im Zusammenhang mit der Schmerztherapie im Alltag relevante Fragen durch die existierenden Studien und evidenzbasierten Leitlinien nicht beantwortet würden, sagte DGS-Vizepräsident Dr. Michael Überall.

 Es gebe derzeit einen durch die Gesundheitspolitik und durch die universitäre Forschung getriebenen Trend zu einer sich rein an randomisierten Studien orientierenden Schmerztherapie.

Studien gehen oft an Patientenbedürfnissen vorbei

An den tatsächlichen Bedürfnissen der Schmerzpatienten gingen diese Studien und damit auch die auf ihnen basierenden Leitlinien oft meilenweit vorbei, betonte auch Dr. Johannes Horlemann, ebenfalls DGS-Vizepräsident.

Insbesondere drohe ein Rückfall in die Zeiten einer überkritischen Haltung zur Opioidtherapie.

Wie problematisch die evidenzbasierten Leitlinien zur Schmerztherapie seien, zeige sich schon daran, dass die Einschätzung zur Wirksamkeit der Opioide insbesondere bei Nicht-Tumorschmerzen in den internationalen Leitlinien erheblich voneinander abweiche. Dabei benutzten alle Leitlinienautoren die gleichen Studien, so Horlemann.

Deutliche Kritik äußerte Horlemann an den kürzlich vorgelegten deutschen LONTS II-Leitlinien zur Therapie von Patienten mit nicht krebsbedingten Schmerzen.

Auch wenn einige besonders problematische Aussagen der vorausgehenden Version LONTS I entfernt wurden, seien die Empfehlungen dieser Leitlinie für den Alltag in der Schmerztherapie weiterhin wenig hilfreich: "Diese Leitlinie beantwortet Fragen, die niemand gestellt hat", so Horlemann.

Von dem neuen DGS-PraxisRegister Schmerz, das nach einem dreimonatigen Testbetrieb am 17. November in den Echtbetrieb geht, erhofft sich die DGS jetzt robuste Daten zum Einsatz, zur Wirksamkeit und zur Häufigkeit unerwünschter Wirkungen in der ambulanten Schmerztherapie. "Wir wollen wissen, wie viel Wirkung wir bei wem wann und mit welchen Folgen erreichen", so Überall.

Die DGS hat dafür auf eigene Kosten ein Online-System in Auftrag gegeben, das beim DGS Innovationsforum in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert wurde und den Namen iDocLive® trägt.

Basisfinanzierung durch Förderkonsortium?

Es ist für die Ärzte kostenfrei nutzbar und unabhängig von einzelnen pharmazeutischen Unternehmen. Mittelfristig erhoffe man sich eine Basisfinanzierung durch ein Förderkonsortium, so Überall.

Für den Arzt ist das DGS PraxisRegister relativ wenig aufwändig. Er muss seine Patienten einmalig im System anlegen. Dies dauert wenige Minuten. Danach erfolgt die komplette Schmerzdokumentation und Folgedokumentation durch die Patienten selbst online.

Dabei können diverse Plattformen genutzt werden, vom Desktop-Rechner über den Tablet-PC bis zum Smartphone.

Primär angesprochen fühlen sollen sich zunächst die etwa 150 regionalen Schmerzzentren. Überall betonte allerdings, dass auch jeder andere Arzt, der chronische Schmerzpatienten versorgt, das System einsetzen und so zum Datenpool für die Versorgungsforschung beitragen könne. Die Auswertung soll in Kooperation mit Universitäten erfolgen.

Was die Datensicherheit angeht, erfülle das System sämtliche Anforderungen, die Datenschützer an eine solche Lösung stellen, betonte Überall.

Es gibt eine neutrale Treuhänderinstanz, die für die Pseudonymisierungsdienste zuständig ist und die direkt bei der DGS angesiedelt wird. Die Datenübertragung erfolgt über ein ausschließlich in Deutschland angesiedeltes Servercluster.

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