Pädiater

Besorgt über seelische Gesundheit der Kinder

Um die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen ist es offenbar nicht gut bestellt - zumindest sind davon viele Eltern überzeugt. Die Pädiater zeigen sich darüber zum Auftakt des Kinder- und Jugendärztetags besorgt.

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BERLIN. Die Kinder- und Jugendärzte sehen mit großer Besorgnis, dass einer Erhebung zufolge ein Fünftel aller Eltern die Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren als psychisch belastet ansehen.

Doch nur ein geringer Teil dieser als auffällig klassifizierten jungen Menschen (18,7 Prozent) hatte aktuelle oder nicht lange zurückreichende Kontakte zu einem Facharzt, einem Psychologen oder zur Jugendhilfe.

Auf diese dramatischen Erkenntnisse der Kinder- und Jugend-Gesundheitssurveys (KiGGS-Welle 1) hat Professor Klaus-Michael Keller, wissenschaftlicher Leiter des 45. Kinder- und Jugend-Ärztetags in Berlin, hingewiesen.

Sozialökonomischer Status der Familien spielt eine Rolle

Die zeitlichen Ressourcen in den Praxen und in den Kliniken reichten offenbar weder bei den Pädiatern oder Allgemeinärzten noch bei den Kinder- und Jugendpsychiatern aus, um sich dieser großen Gruppe von Kindern und jungen Menschen mit einem großen Beratungs- und Behandlungsbedarf in ausreichender Weise widmen zu können, sagte er bei der Jahrespressekonferenz des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).

Die Studienergebnisse zeigen, dass das Risiko, mit einem mittelmäßigen bis sehr schlechten psychischen Gesundheitszustand leben zu müssen, bei Kindern aus sozial und finanziell benachteiligten Familien um das 3,4 bis 3,7 Fache höher liege als bei Kindern aus Familien mit hohem sozialökonomischen Status.

Allerdings gilt diese Benachteiligung nicht für alle psychische Erkrankungen. Während Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus deutlich stärker unter emotionalen Problemen leiden, werden Familien mit hohem Sozialstatus mehr mit Verhaltensproblemen ihrer Kinder konfrontiert.

Erst sind Jungen anfälliger, dann Mädchen

Die Lebensqualität der betroffenen Kinder wird laut Keller nicht selten erheblich beeinträchtigt. Ein Fünftel aller Eltern sehen als Folge der psychischen Erkrankung ihrer Kinder "eine deutliche oder schwere familiäre Belastung".

Dabei, so Professor Günter Esser, Leiter des Lehrstuhls Klinische Psychologie/Psychotherapie in Potsdam, seien Jungen bis zum Pubertätsalter weit anfälliger für psychisch bedingte Belastungsfaktoren und Auffälligkeiten als Mädchen. Esser: In der Pubertät kippe das aber zulasten der Mädchen."

Unabhängig vom Geschlecht könne aber präventiv viel bewirkt werden, da die meisten psychischen Störungen von Erwachsenen im Kindes-und Jugendalter beginnen oder dort ihre Vorläufer haben. Somit sei eine Therapie im Kindes- und Jugendalter die beste Prävention, um psychischen Störungen im Erwachsenenalter vorzubeugen.

Am wichtigsten sei es, wenn Eltern möglichst früh und lange eine positive Beziehung zu ihrem Kind aufbauen könnten. In vielen Ein-Eltern-Familien oder sozial benachteiligten Familien gelinge dies aber nicht.

Dann sei es besonders wichtig, Kinder möglichst frühzeitig in gut ausgestattete Kitas zu bringen, die Erzieherinnen selbst in der Früherkennung von Entwicklungsstörungen zu qualifizieren und niedrigschwellige Behandlungen jenseits einer medikamentösen Therapie in Gang zu bringen.

Auf dem bis Sonntag (14. Juni) dauernden Kinder- und Jugendärztetag werden die rund 900 Teilnehmer auch die Folgen des am Donnerstag im Bundestag verabschiedeten Versorgungsstärkungsgesetz und des demnächst auf der Agenda stehenden Präventionsgesetzes debattieren.

Nach Ansicht von BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann würden beide Gesetze trotz manch positiver Ansätze wie der Schließung der Vorsorgelücke im Grundschulalter die Erwartungen der Pädiater und damit auch vieler Eltern und Familien nur unzureichend erfüllen.

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