Totale Erschöpfung

Wenn Familienarbeit krank macht

Immer mehr Mütter und Väter, die sich zu einer Kur entschließen, leiden an Erschöpfung und Burn-out. Das geht aus dem aktuellen Sozialreport des Müttergenesungswerks hervor. Auffällig ist, dass die Zahl der Vater-Kind-Kuren steigt.

Anne BäurleVon Anne Bäurle Veröffentlicht:
Reibungslos funktionieren - sowohl als Mutter als auch im Beruf: das führt Frauen oft an ihre Grenzen.

Reibungslos funktionieren - sowohl als Mutter als auch im Beruf: das führt Frauen oft an ihre Grenzen.

© Müttergenesungswerk

BERLIN. Starke Erschöpfung bis hin zum Burn-out: das ist die gesundheitliche Störung, unter der Mütter und Väter am häufigsten leiden, wenn sie eine Kurmaßnahme des Müttergenesungswerks (MWG) in Anspruch nehmen. Dies geht aus Daten des MWG-Sozialreports 2015 hervor, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Demnach durchleben 87 Prozent der Mütter und 69 Prozent der Väter depressive Episoden, akute Erschöpfungszustände, Schlafstörungen und Angstzustände, wenn sie sich zu einer Kurmaßnahme entschließen.

Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist der Prozentsatz damit weiter gestiegen; 2003 lag er bei den Müttern bei 48 Prozent, im Jahr 2014 schon bei 84 Prozent.

Doppel- und Dreifachbelastungen

"Der größte Belastungsfaktor bei Müttern und Vätern ist der ständige Zeitdruck, bedingt durch Doppel- und Dreifachbelastungen", so Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks.

Ein genauerer Blick auf die Daten zeige zudem die Auswirkungen eines weiterhin traditionellen Familienbilds: Während Väter besonders berufliche Belastungen angaben, litten Mütter unter mangelnder Anerkennung und fehlender Unterstützung durch ihr Umfeld.

Hauptverdiener ist dem Bericht zufolge nach wie vor der Mann, über 50 Prozent der Frauen gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach.

Die Chancen auf Bewilligung eines Kurantrags stehen dabei so gut wie nie, die Ablehnungsquote ist bei Müttern im Jahr 2015 erstmalig auf elf Prozent gesunken.

Im Jahr 2011 lag die Ablehnungsquote noch bei 35 Prozent, nach Einführung einer neuen Begutachtungs-Richtlinie im Jahr 2012 war sie bereits auf 19 Prozent gesunken. "Frauen, die jetzt einen Antrag stellen, haben so gute Chancen wie nie zuvor, dass ihr Antrag bewilligt wird", sagte Schilling.

Höhere Ablehnungsquote bei Anträgen auf Vater-Kind-Kuren

Etwas anders sehe es allerdings bei Vätern aus, die einen Antrag auf Vater-Kind-Kur stellten. Hier lag die Ablehnungsquote mit 17 Prozent höher als bei den Müttern.

Über die Gründe könne man allerdings nur spekulieren, so Schilling. Möglicherweise würden die Belastungen der Väter weniger anerkannt.

Dabei wollen immer mehr Väter an Vater-Kind-Maßnahmen teilnehmen: Im Jahr 2015 stieg der Anteil an Vätern in Kurmaßnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent, insgesamt nahmen 1500 Väter an Vater-Kind-Kuren teil.

Die Zahl der Mütter in stationären Mütter- oder Mutter-Kind-Maßnahmen lag deutlich höher, bei 49.000 Frauen.

Während die Mutter-Kind-Maßnahmen bei Ärzten über eine hohe Bekanntheit verfügten, seien reine Müttermaßnahmen dagegen weniger bekannt, heißt es in dem Sozialreport.

Dies sei gerade im Hinblick auf pflegende Frauen von Bedeutung. 70 Prozent der 2,5 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt - die Pflegenden sind dabei in drei viertel der Fälle Frauen.

"Auch hier merken wir, dass die Frauen immer kränker sind, wenn sie einen Antrag auf Kur stellen. Sie nehmen die Kurmaßnahme erst in Anspruch, wenn es nicht mehr anders geht", so Schilling. Die Erwartungen der Gesellschaft bei Erziehung und Pflege richteten sich an Frauen.

"Pflegende Frauen müssen dazu ermutigt werden, sich zu einer reinen Mütter-Kurmaßnahme zu entschließen. Sie sollten egoistischer werden."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mut, Hilfe anzunehmen

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