Nordrhein-Westfalen
Höhere Arbeitslosigkeit, geringere Lebenserwartung
Armut und Arbeitslosigkeit haben fundamentale Auswirkungen auf die Gesundheit der Bürger, heißt es im Landesgesundheitsbericht NRW. Nicht der Migrationshintergrund, sondern vor allem der Bildungsstand prägt Gesundheitschancen.
Veröffentlicht:KÖLN. In nordrhein-westfälischen Kreisen und Städten mit einer hohen Arbeitslosenquote haben Frauen eine deutlich geringere Lebenserwartung als in Regionen, in denen weniger Menschen arbeitslos sind. Ist die Arbeitslosenquote hoch, gibt es bei 15- bis 65-Jährigen eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Todesfällen durch Lungenkrebs, die als vermeidbar eingestuft werden.
"Bildung und soziale Lebenslange spielen nach wie vor eine große Rolle bei der Frage, wie gesund Menschen sind und wie gesund sie leben", schreibt die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) im Vorwort zum Landesgesundheitsbericht 2015 für das bevölkerungsreichste Bundesland.
Er veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen sozialen und wirtschaftlichen Faktoren auf der einen und dem Gesundheitszustand der Bevölkerung auf der anderen Seite.
"Der Anteil an adipösen Kindern in Familien mit niedrigem Bildungsstand (8,0 Prozent) ist gegenüber dem Anteil in Familien mit hohem Bildungsstand (2,2 Prozent) fast um ein Vierfaches erhöht", heiß es in dem Bericht. Insgesamt waren im Jahr 2012 bei der Einschulungsuntersuchung 6,4 Prozent der Kinder übergewichtig und 4,7 Prozent adipös.
Breite Datenbasis erforderlich
Der Landesgesundheitsbericht ist vom NRW-Gesundheitsministerium herausgegeben worden und erfasst bis auf einzelne Ausnahmen Daten bis einschließlich 2012. Eine wesentliche Quelle sind die ambulanten Behandlungsdiagnosen der KVen Nordrhein und Westfalen-Lippe, hinzukommen Routinedaten wie die Krankenhausstatistik und die Reha-Statistik der Rentenversicherung sowie die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen.
"Für eine zielgerichtete Weiterentwicklung unserer bestehenden Angebote müssen wir Erkenntnisse aus einer möglichst breiten Datenbasis heranziehen", schreibt Steffens.
Mit einer mittleren Lebenserwartung bei Frauen von 82,3 Jahren und bei Männern von 77,5 Jahren liegt NRW leicht unter den Bundeswerten. Die häufigsten Todesursachen bei Frauen sind Herzinsuffizienz, chronische ischämische Herzkrankheit und akuter Myokardinfarkt, bei Männern bösartige Neubildung der Bronchien und der Lunge, chronische ischämische Herzkrankheit und akuter Myokardinfarkt.
Die häufigsten ambulanten Behandlungsdiagnosen haben von 2005 bis 2012 weiter deutlich zugenommen: Bluthochdruck plus 14 Prozent, depressive Episode plus 29 Prozent und Diabetes Typ 2 plus 25 Prozent. "Bei jeder der drei Diagnosen liegen die Steigerungsraten der Männer höher als die der Frauen", heißt es im Bericht. Nach dem NRW-Gesundheitssurvey haben 2013 rund 75 Prozent der Bevölkerung den allgemeinen Gesundheitszustand als sehr gut oder gut eingestuft.
Migration verliert an Bedeutung
Die persönliche Einschätzung ist unabhängig davon, ob jemand einen Migrationshintergrund hat oder nicht. 2014 lebten 17,6 Millionen Menschen in NRW, von ihnen hatten 4,4 Millionen eine Migrationsgeschichte. Immer mehr Kinder mit Migrationsgeschichte nehmen an allen Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U7 teil.
"Der Bildungsstand der Eltern und der Besuch eines Kindergartens sind Einflussfaktoren, die sich stärker auf die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen auswirken als die Migrationsgeschichte."
Der Bericht zeigt nach Einschätzung der Autoren, dass die Möglichkeiten der Prävention im Gesundheitssystem nicht ausgeschöpft werden. Sie fordern eine stärker professionsübergreifende Kooperation. "Darüber hinaus werden durch einen wachsenden Anteil älterer, multimorbider Patientinnen und Patienten der strukturelle Ausbau und die qualitative Optimierung einer integrierten Versorgung immer dringlicher."