Aktuelle Studie

Experten wollen Sektorengrenzen schnell einreißen

Sektorenübergreifende Versorgung – und zwar radikal. So steht es in einem Positionspapier der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die KBV-Spitze widerspricht und warnt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Diskussion um aktuelle Studie (v.l.): Johann-Magnus von Stackelberg (GKV-Spitzenverband), Dr. Susanne Ozegowski (BV Managed Care), Moderatorin Nana Brink, KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister und Professor Ferdinand Gerlach.

Diskussion um aktuelle Studie (v.l.): Johann-Magnus von Stackelberg (GKV-Spitzenverband), Dr. Susanne Ozegowski (BV Managed Care), Moderatorin Nana Brink, KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister und Professor Ferdinand Gerlach.

© M. Strehlau

BERLIN. Deutschland hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt – und das, obwohl es nach Ansicht von Fachleuten an den Schnittstellen zwischen den Sektoren auf Kosten der Patienten zu Reibungsverlusten kommt. Zuletzt hat die große Koalition über den Innovationsfonds 1,2 Milliarden Euro für die Erprobung sektorenübergreifender Projekte locker gemacht.

Jetzt schlägt eine Expertengruppe vor, das Gesundheitssystem komplett umzukrempeln. "Wir geben die Hoffnung auf, dass aus Modellversuchen Regelversorgung werden kann", sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Montag bei der Vorstellung eines von der Expertengruppe erarbeiteten Positionspapiers der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Es gebe keine finanziellen Anreize zur Kooperation von ambulantem und stationärem Sektor, verwies der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitssystem Professor Ferdinand Gerlach auf ein Grundübel.

Vehikel zur Überwindung der bisherigen System- und Vergütungslogiken soll ein vergleichsweise schnell, sprich: binnen zwei Legislaturperioden einzuführender neuer Ordnungsrahmen sein, dessen Bausteine bekannt klingen.

» Einheitliche Qualitätssicherung in Praxis und Krankenhaus, Reha und Pflege.

» Angleichung der Kodiersysteme in der ambulanten, stationären und pflegerischen Versorgung.

» Elektronischer Datenaustausch zwischen allen Leistungserbringern über eine Patientenakte.

» Eine an Demografie, Morbidität und Bevölkerungszahl in größeneinheitlichen Planungsregionen ausgerichtete Bedarfsplanung, die in Vollzeitäquivalenten rechnet, um der Lebens- und Familienplanung junger Ärzte entgegen zu kommen.

» Gleiche Vergütung für gleiche Leistung unabhängig vom Ort der Leistungserbringung. Abschaffung des Quartalsbezugs zu Gunsten einer Jahrespauschale, ausgezahlt in monatlichen Abschlägen.

» Einführung eines Primärarztsystems über Wahltarife.

Kritik an den Gedankenspielen folgte auf dem Fuße: "Ich will keine radikalen, schnellen Veränderungen in einem sehr guten, im internationalen Vergleich herausragenden System", sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister bei der Diskussion des Positionspapiers am Montag. "Was Sie vorschlagen, ist ein Erdbeben im Gesundheitssystem, das den Wegfall des Sicherstellungsauftrags und die Wiedereinführung des Streikrechts für Ärzte nach sich ziehen könnte."

Die Autoren verteidigten den Ansatz einer schnellen Umwälzung: "Es hat noch nie funktioniert, Qualität in ein System hineinkontrollieren zu wollen. Sie muss in den Strukturen und den Anreizen angelegt werden", sagte Barmer-Chef Professor Christoph Straub.

Die Expertengruppe argumentiere nicht gegen die Vertragsärzte, betonte Prüfer-Storcks abschließend. Sektorenübergreifend bedeute nicht, dass Krankenhäuser verstärkt an der ambulanten Versorgung teilnehmen sollten.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Eine radikale Veränderung

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