Für die Proktoskopie bekommen Hausärzte einen Fallwertzuschlag

Etwa jeder zweite Deutsche über 50 hat Hämorrhoiden. Auch Hausärzte sehen zunehmend Patienten mit dieser Erkrankung, die für viele immer noch ein Tabu ist. Bei der Abrechnung nach EBM sind nicht alle Leistungen mit der Versichertenpauschale abgegolten. Es gibt sogar ein Zusatzbudget.

Von Peter Schlüter Veröffentlicht:
Die zeitintensive Beratung des Patienten nach der Hämorrhoidenverödung schlägt sich positiv im Honorar nieder - leider nur bei Privatpatienten.

Die zeitintensive Beratung des Patienten nach der Hämorrhoidenverödung schlägt sich positiv im Honorar nieder - leider nur bei Privatpatienten.

© Foto: endostockwww.fotolia.de

Herr F. ist 42 Jahre alt, 179 cm groß, 77 kg schwer, sitzende Tätigkeit, wenig Sport, bisher weitgehend gesund. Er stellt sich am Morgen mit akuten Beschwerden in der Praxis vor.

1. Konsultation

Diagnose und Erörterung: Der Patient gibt an, er verspüre seit Tagen einen Druck im After, zeitweise auch leichte Schmerzen. Heute Morgen traten nach dem Gang zur Toilette plötzlich heftige Blutungen aus dem Analbereich auf, verbunden mit starken Schmerzen.

Die Inspektion nach Anamneseerhebung zeigt eine deutliche randbetonte Rötung der Perianalregion. Zentrale Abblassung und diskrete Schuppung am Rand legen den Verdacht auf eine perianale Mykose nahe. Es wird ein Abstrich entnommen und eine mikroskopische Nativuntersuchung gemacht.

Die digital-rektale Untersuchung ist leicht schmerzhaft. Man kann dabei deutlich zwei Hämorrhoidenpolster bei 5h in der Steinschnittlage (SSL) und etwa bei 7h SSL tasten. Mit dem Patienten werden das Untersuchungsergebnis und die notwendige proktoskopische Untersuchung besprochen. Ebenso die Möglichkeit, gegebenenfalls sofort die Hämorrhoiden zu veröden.

Die Proktoskopie und die Verödung werden noch in derselben Sitzung gemacht. Im Anschluss wird das Krankheitsbild sowie das weitere Vorgehen mit dem Patienten erörtert, ebenso die Regulierung des Stuhlganges über eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten, ballaststoffreiche Ernährung, sowie die notwendige Analhygiene. Mit dem Patienten wird ein weiterer Termin zur Hämorrhoidenverödung vereinbart.

Abrechnung nach EBM: Da es sich um den ersten Kontakt im Quartal handelt, rechne ich die Versichertenpauschale ab. Die Untersuchung, digitale Untersuchung und die Abstrichentnahme sind der Pauschalierung zum Opfer gefallen und nicht mehr zu berechnen. Diese Leistungen finden sich in Anhang 1 des EBM und gelten mit der Berechnung der Versichertenpauschale als abgegolten. Für die mikroskopische Nativuntersuchung findet sich im EBM noch die Laborposition Ziffer 32045.

Die Rektoskopie ist dagegen nicht in der Pauschale aufgegangen, sondern weiter als Einzelleistung anzusetzen. Ich rechne sie mit der Nr. 03331 ab. Die Leistung bringt zudem einen sogenannten Fallwertzuschlag von einem Euro je Patient, der mein Regelleistungsvolumen erhöht.

Die Hämorrhoidenverödung kann ich mit der Nr. 30610 abrechnen. Die Leistung nach Nr. 30610 findet sich im Abschnitt IV "Arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen" des EBM.

Abrechnung nach GOÄ: Auf die Beratung nach Nr. 1 muss ich wegen der abgerechneten Nr. 34 GOÄ verzichten. Diese Ziffer kann ich ansetzen, weil die Erörterung des Krankheitsbildes im Anschluss an die Untersuchungen mehr als 20 Minuten dauert. Die symptombezogene Untersuchung rechne ich heute ebenfalls nicht ab, da ich diese zur 2. Konsultation zusammen mit der Beratung nach Nr. 1 neben Sonderleistungen berechnen kann. In der GOÄ steht: "Die Leistungen nach den Nummern 1 und/oder 5 sind neben Leistungen nach den Abschnitten C bis O im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig."

Die digital-rektale Untersuchung, die Proktoskopie und die Verödung der Hämorrhoiden kann ich nebeneinander abrechnen. Wegen der schwierigen Untersuchungsbedingungen - Schmerzen, Blutverunreinigungen - erhöhe ich für diese Leistungen den Faktor. Als Begründung gebe ich dann an: "schwierige Untersuchungsbedingungen".

Den Abstrich für die mikrobiologische Untersuchung rechne ich mit der Nr. 298 ab. Dazu kommt die anschließende mikroskopische Untersuchung des Nativmaterials nach Nr. 3508.

2. Konsultation

Diagnose und Erörterung: Der Patient kommt nach zwei Wochen zur erneuten Verödung der ausgedehnten Hämorrhoiden. Der symptombezogenen Untersuchung folgen die digital-rektale Untersuchung und die Proktoskopie mit Verödung. Nach der Erörterung wird ein neuer Termin zur abschließenden Behandlung vereinbart.

Abrechnung nach EBM: Für diesen zweiten Kontakt im Behandlungsfall kann ich keinerlei Beratungsleistungen oder Kontaktgebühren mehr abrechnen. Für die Untersuchung rechne ich die Rektoskopie/Proktoskopie nach Nr. 03331 erneut ab. Die Verödung kann ich wieder nach Nr. 30610 abrechnen.

Diese Leistung ist bis zu maximal viermal im jeweiligen Behandlungsfall berechnungsfähig. Nach der Honorarreform zum 1. Januar 2009 ist der Sinn der Leistungserbringung betriebswirtschaftlich jedoch zu hinterfragen, da diese Leistung nicht außerhalb des RLV vergütet wird. Deshalb ist zu überlegen, ob ich diese Leistung in Zukunft noch erbringen kann oder ob ich den Patienten nicht besser zum Fachkollegen überweisen sollte.

Abrechnung nach GOÄ: Die Beratung nach Nr. 1 kann ich heute neben den Sonderleistungen abrechnen, da es das erste Mal im Behandlungsfall ist. Auch die symptombezogene Untersuchung nach Nr. 5 kann ich heute abrechnen.

Um der Ausschlussregelung in den Allgemeinen Bestimmungen gerecht zu werden, habe ich im Zusammenhang mit der ersten Konsultation auf die Berechnung der Nummer 5 verzichtet. Damit kann ich für die heutige Konsultation die Beratung nach Nr. 1 und die symptombezogene Untersuchung nach Nr. 5 zusammen neben den Sonderleistungen nach den Nrn. 705 und 764 berechnen.

Wegen der schwierigen Untersuchungsverhältnisse erhöhe ich den Faktor für die einzelnen Leistungen. Da ich auch heute wieder ausführlich, über zehn Minuten berate, könnte ich die Nr. 3 berechnen.

Diese ist nur als alleinige Leistung oder neben Untersuchungsleistungen nach den Nrn. 3, 5, 6, 7, 8, 800, 801 zu berechnen und muss entfallen. Dafür rechne ich die Beratung nach Nr. 1 mit erhöhtem Faktor ab, Begründung: Zeitaufwand mehr als zehn Minuten.

3. Konsultation

Diagnose und Erörterung: Bei der heutigen Abschlussuntersuchung wird eine verbliebene Hämorrhoide verödet. Der Patient wird nochmals über die notwendige Analhygiene und Maßnahmen zur Stuhlregulierung aufgeklärt. Bezüglich der ballaststoffreichen Ernährung wird ihm ein entsprechender Ernährungsplan ausgehändigt.

Abrechnung nach EBM: Für diesen dritten Kontakt im Behandlungsfall kann ich keine Beratungsleistungen oder Kontaktgebühren mehr abrechnen. Auch heute bleiben mir lediglich die Nr. 03331 für die Proktoskopie und die Nr. 30610 für die Hämorrhoidenverödung übrig.

Abrechnung nach GOÄ: Mit dem heutigen Untersuchungstag ist der Zeitraum des Behandlungsfalles (ein Monat) gerade überschritten. Damit gilt ein neuer Behandlungsfall. Aus diesem Grund kann ich heute die Beratung nach Nr. 1 und die symptombezogene Untersuchung nach Nr. 5 neben den Sonderleistungen berechnen.

Für die schriftlichen Ernährungshinweise, die ich auf den Namen des Patienten und für ihn individuell angefertigt habe, berechne ich die Nummer 76.

Hämorrhoiden - das Krankheitsbild

Hämorrhoiden sind ein an Häufigkeit zunehmendes Krankheitsbild in der Allgemeinmedizin. In Deutschland leidet etwa jeder Zweite über 50 unter Hämorrhoiden oder hat damit schon einmal Probleme gehabt. Ein häufiges Anzeichen ist Blut im Stuhl, aber auch Juckreiz, schleimige Ausscheidungen oder Nässe können auf Hämorrhoiden hinweisen.

Es sind jedoch in erster Linie akute Beschwerden in Form von Blutungen oder starken Schmerzen, die Patienten in die Praxis kommen lassen. Blutungen werden meist durch mechanisch verletzte Hämorrhoiden (fester Stuhlgang, aber auch Diarrhoen) verursacht. Die akut auftretenden Schmerzen sind jedoch durch die relativ häufig vorkommende und spontan auftretende äußere Thrombenbildung in den Hämorrhoiden hervorgerufen, den Analthrombosen.

Letztere treten oft deutlich sichtbar aus dem After hervor. Hämorrhoiden sind entsprechend ihrer Häufigkeit schon fast als Volksleiden anzusehen. Es sind breitbasig aufsitzende, krankhafte Vergrößerungen der arteriovenösen Gefäßpolster in der Submucosa der distalen Rektumschleimhaut. Hämorrhoiden sind in insgesamt vier Stadien einzuteilen.

  • Grad I: allenfalls Juckreiz und Missempfindungen im Analkanal, selten Blutungen am Ende der Defäkation, mäßige Vergrößerung des Corpus cavernosum recti; die Veränderungen sind ausschließlich proktoskopisch diagnostizierbar
  • Grad II: ins Proktoskop vorspringende Hämorrhoidalpolster, die beim Pressen von außen sichtbar sind und spontan reponieren, seltener blutend, mehr schmierige Absonderungen
  • Grad III: ins Proktoskop vorspringende Hämorrhoidalpolster, die beim Pressen nach außen prolabieren und nicht spontan reponieren, sondern nur manuell reponibel sind, häufig schmerzhaft
  • Grad IV: ständig außerhalb des Anus zu findende Hämorrhoidalpolster, die nicht mehr reponibel sind.

Die Ursachen des Hämorrhoidalleidens sind einerseits in der bewegungsarmen Lebensweise, der schlackenarmen und oft zu scharfen Kost begründet. Gerade die meist falsche Ernährung führt über die Übersäuerung des Organismus zu einer Bindegewebsschwäche, die die Entstehung von Hämorrhoiden fördert.

Andererseits sind weitere Ursachen in chronischer Obstipation, begleitet von einem unkontrollierten Laxantienabusus zu suchen. Es können aber auch, in seltenen Fällen, genetische Faktoren prädisponierend sein. (pes)

Zur Person

Dr. Dr. Peter Schlüter ist Facharzt für Allgemeinmedizin in Hemsbach. Er leitet auch Seminare rund um EBM und GOÄ.

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