Praxismanagement

Ein bisschen Kostenerstattung täte gut

Die Widerstände sind groß: Die Kostenerstattung lässt sich nicht ganz durchsetzen. Aber für Ärzte wie Patienten wären marktwirtschaftliche Anreize positiv zu sehen.

Von Bernd W. Alles Veröffentlicht:
Eine Rechnung über den Eigenanteil - so käme ein bisschen Marktwirtschaft ins Gesundheitssystem.

Eine Rechnung über den Eigenanteil - so käme ein bisschen Marktwirtschaft ins Gesundheitssystem.

© Dan Race / fotolia.com

Ach, wie egal ist es einem Patienten, was die ganze ärztliche Behandlung kostet - wenn er seine 10 Euro Eintrittsgeld in die vertragsärztliche Versorgung einmal bezahlt hat. Ist er gar gebührenbefreit, fallen alle pekuniären Hemmnisse zum sparsamen Umgang mit den knappen Gütern der Dienstleistungsbranche Gesundheitswesen.

Gemeinsam mit dem katastrophalen Anreizsystem für die ärztlichen Dienstleister in diesem System, die faktisch nach dem wirtschaftlichen Minimalprinzip arbeiten - will heißen: einen gegebenen Erlös (RLV plus freie Leistungen) mit möglichst geringen Mitteln zu erwirtschaften.

So wird der unaufwendige Patient zum Objekt der Begierde. Die richtig Kranken werden halt so mitversorgt. Als Unlustbremse funktioniert lediglich das ärztliche Ethos, gepaart mit dem Bündel sanktionsbewehrter vertragsärztlicher Pflichten, ohne die unser System längst in einem Marktversagen geendet hätte.

Patienten sollten nichts zum Nulltarif erhalten

Von dem System der sozialen Marktwirtschaft ist dieses Szenario weit entfernt. Wollte man sie tatsächlich im ambulanten Gesundheitswesen einführen, dann müsste man vor allem die Anreizsysteme korrigieren. Die der Patienten wie auch der ambulant tätigen Ärzte. Konsequenzen müssten dann sein:

Für Patienten: Keine Leistungen des ambulanten Gesundheitswesens zum Nulltarif. Konsequente Eigenbeteiligung - jedoch unter Berücksichtigung der sozialen Komponente. Aber niemals ohne jegliche Kostenbeteiligung.

Für niedergelassene Ärzte/MVZ: Entwicklung eines Honorarsystems, das wieder am wirtschaftlichen Maximalprinzip (mit gegebenen Mitteln einen höchstmöglichen Output zu erwirtschaften) - zum Wohle der Patienten - ausgerichtet ist. Mit dem Effekt, dass Patienten, die viele Leistungen abrufen, wirtschaftlich lohnender sind als solche mit weniger Leistungsbedarf. Ausufernde Leistungsanforderungen werden durch Kostenbeteiligung gebremst.

Es stellt sich die Frage, mit welchem Honorarsystem für die niedergelassenen Ärzte sich dieses Modell verwirklichen lässt. Ist es die Kostenerstattung, bei der die Patienten nach dem Grundsatz der Einzelleistungsvergütung in Vorlage gehen und die Arztrechnungen begleichen (wie bei Privatpatienten)? Und sich dann die Auslagen von ihrer Krankenkasse erstatten lassen? Oh nein, zu viele Ängste stehen einem solchen System im Weg.

Die Wichtigsten: Seitens der Krankenkassen wird eine Ausuferung von Leistungen und erheblicher Verwaltungsmehraufwand befürchtet. Und die Ärzte plagt die Frage, ob ihre Rechnungen denn auch alle und pünktlich bezahlt werden.

Last but not least fürchten die Patienten um Liquiditätsengpässe durch die Vorfinanzierung und die bange Erwartungsangst, ob die Arztrechnungen auch komplett von der Krankenkasse übernommen werden.

Und dann bangt auch noch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts um ihre Existenz, unsere Kassenärztliche Vereinigung (KV). So ist die reine Kostenerstattung auch in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Totgeburt. Deshalb gibt es sie auch noch nicht.

Ein "Strukturhonorar" gäbe mehr Planungssicherheit

Der Ausweg: Man stellt via KV den Vertragsärzten ein Strukturhonorar, das ihre Leistungsfähigkeit in der Patientenversorgung abbildet, als fixe Einkommensquelle zur Verfügung. Zum Beispiel in einer Größenordnung von 75 Prozent des zu erwartenden Gesamtumsatzes.

Dieser Honoraranteil könnte anhand eines Punktesystems etwa für die Praxisgrößenordnung (zum Beispiel bis 400 Fälle/Quartal, 400-600 Fälle pro Quartal usw.), die Ausstattung (vielleicht sogar in Analogie der bisherigen Zusatzbudgets), die Praxis-Öffnungszeiten und Qualifikationsmerkmalen von Arzt und Praxisteam festgelegt werden.

Ein wesentlicher Vorteil einer solchen Bewertung wäre die Abkehr von der absoluten Fallzahl, die im heutigen Honorarsystem eine Triebfeder für das "Sammeln" von Fällen ist. Fällt dieser Anreiz weg, ist das Interesse am Wiedereinbestellen ("Kontrolle") aus abrechnungstechnischen Gründen fast erloschen. Mögliche Folge: Mehr freie Termine für die "wirklich" Kranken. Und damit Verminderung von Wartezeiten.

Für die Arztpraxis hätte eine solche Strukturpauschale den Charme einer (für einen bestimmten Zeitraum) fixen Einnahmequelle, was die Planungssicherheit in einem Praxiskostenumfeld, das in der Regel von Fixkosten (= Kosten, die entstehen, egal wie viele Patienten die Praxis aufsuchen) geprägt ist, wesentlich verbessern könnte. In diesem Strukturhonorar könnte auch ein kalkulatorisches Arztgehalt enthalten sein.

Hinzu käme ein variabler Vergütungsanteil, als Einzelleistungsvergütung (etwa in Anlehnung an die GOÄ) in Höhe der variablen Kosten (= Kosten, die durch die Erbringung einer zusätzlichen Leistung verursacht werden) zuzüglich eines moderaten Gewinnzuschlages. Der so hoch bemessen sein sollte, dass der Arzt ein Interesse an der Leistungserbringung hat.

Als Mengenbremse fungiert dann eine Eigenbeteiligung mit Sozialklausel - wobei immer ein Eigenanteil fällig wird, der nur prozentual abgestaffelt werden sollte -, die dann natürlich erheblich geringer ausfallen kann, als wenn die Patienten einen Eigenanteil an den Gesamtkosten der für sie erbrachten Leistungen zahlen müssten.

Was sowohl die Liquiditätssituation der Patienten wie auch das Honorarausfallrisiko der Ärzte limitiert. Auch die Rechnungsprüfung vor Kostenrückerstattung an die Patienten durch die Kassen hätte eine andere finanzielle Dimension - entsprechend könnte der bürokratische Mehraufwand für die Kostenerstattung in Grenzen bleiben.

Für die KVen, die ja noch mehr Aufgaben erfüllen als die Königsaufgabe der Honorarverteilung, ergäbe sich eine erhebliche Abrechnungsvereinfachung, ohne sie - weil sie ja auch ordnungspolitisch meines Erachtens sinnvoll sind - abschaffen zu wollen. Mit ein paar feinen "Stellschrauben" ließe sich ein solches System in ein zukunftsfähigeres ambulantes Gesundheitswesen als dem jetzigen installieren. Wer wagt einen Modellversuch?

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