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Geriatrische Versorgung richtig abrechnen

Die hausärztliche geriatrische Versorgung ist neu im EBM - und vielen Ärzten sind die Bestimmungen noch nicht ganz klar. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen und wie Leistungen der hausärztlich geriatrischen Versorgung richtig abgerechnet werden, erläutert Peter Schlüter in einem Gastbeitrag.

Von Peter Schlüter Veröffentlicht:
Ein Patient muss nicht zwangsläufig steinalt sein, um der geriatrischen Betreuung zugerechnet zu werden.

Ein Patient muss nicht zwangsläufig steinalt sein, um der geriatrischen Betreuung zugerechnet zu werden.

© Yuri Arcurs / Fotolia.com

NEU-ISENBURG. Mit der Einführung des neuen Hausarzt-EBM ist die "Hausärztliche geriatrische Versorgung" als neues Kapitel in den Abschnitt 03 Hausärztliche Versorgung aufgenommen worden.

Gleichzeitig wurde eine Definition des geriatrischen Versorgungsbedarfs beziehungsweise des geriatrischen Falls geschaffen. Diese macht jedoch noch vielen Ärzten Probleme, vor allem in der Frage, was nun eigentlich ein geriatrischer Fall im Sinne des EBM ist.

Mit dem neuen EBM-Kapitel "Hausärztlich geriatrische Versorgung" war auch eine Definition des geriatrischen Falls notwendig geworden. Diese ist in den Allgemeinen Bestimmungen (AB) zu Abschnitt 3.2.4 in nicht ganz einfach zu entwirrender Form festgeschrieben.

Das Vorliegen eines geriatrischen Versorgungsbedarfs wiederum ist die Voraussetzung, Leistungen der hausärztlich geriatrischen Versorgung abrechnen zu können. Insofern ist die Identifikation dieses Bedarfes das A und O der hausärztlichen Geriatrie.

Als Kriterien für den geriatrischen Versorgungsbedarf gelten laut Allgemeinen Bestimmungen im EBM-Abschnitt 3.2.4 folgende Punkte:

- Höheres Lebensalter (ab vollendetem 70. Lebensjahr) und

- Geriatrietypische Morbidität und/oder

- Vorliegen einer Pflegestufe.

Desweiteren gelten folgende Erkrankungen als Aufgreifkriterien für einen geriatrischen Versorgungsbedarf:

- F00-F02 dementielle Erkrankungen,

- G30 Alzheimer-Erkrankung,

- G20.1 Primäres Parkinson-Syndrom mit mäßiger bis schwerer Beeinträchtigung und

- G20.2 Primäres Parkinson-Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung auch bei Patienten, die das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Ungeklärt bleibt in dieser Aufzählung noch Punkt 2, die Definition der geriatrietypischen Morbidität. Sie lautet im Detail:

- Multifaktoriell bedingte Mobilitätsstörung einschließlich Fallneigung und Altersschwindel,

- Komplexe Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler oder verhaltensbezogener Art,

- Frailty-Syndrom (Kombinationen von unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung, muskulärer Schwäche, verringerter Ganggeschwindigkeit und verminderter körperlicher Aktivität),

- Dysphagie,

- Inkontinenz(en),

- Therapierefraktäres chronisches Schmerzsyndrom

Grundvoraussetzung: Mindestens 70 Jahre alt

Es ist nicht ganz einfach aus dieser Definition zu erkennen, was genau nun für das Vorliegen eines geriatrischen Versorgungsbedarfs Voraussetzung ist. Dazu ist es nötig, die Auflistung sprachlich noch einmal etwas aufzudröseln.

Es sind in der allgemeinen Beschreibung unterschiedliche Arten der Aufzählung gewählt, die zum einen durch Kommata getrennt werden, zum anderen durch die Konjunktionen "und" beziehungsweise "und/oder".

Als Grundvoraussetzung gilt entsprechend unserem ersten Aufzählungspunkt ein Alter von mindestens 70 Jahren.

Zusätzlich ("und") eines von drei folgenden Kriterien: entweder eine geriatrische Morbidität oder das Vorliegen einer Pflegestufe oder eine der später aufgeführten neurologischen Erkrankungen.

Demenz, Alzheimer und Parkinson - auch unter 70 schon geriatrische Morbidität

Hier sollten Sie jedoch den letzten Halbsatz beachten: "auch bei Patienten, die das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben". Hier wird also die Grundvoraussetzung des höheren Alters von mindestens 70 Jahren außen vor gelassen (!), so dass bei Vorliegen einer der hier genannten Erkrankungen, auch bei Patienten, die das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein geriatrischer Versorgungsbedarf besteht.

Schauen wir uns noch einmal den Punkt geriatrietypische Morbidität an. Hier ist der eingeklammerte Hinweis auf Unterpunkte zu beachten: "(Patienten, bei denen mindestens ein nachfolgendes geriatrisches Syndrom dokumentiert ist)".

Aus der Liste der Syndrome wie wir sie hier in der zweiten Aufzählungsreihe wiedergeben, muss also nur ein einziges Vorliegen - in Kombination mit dem höheren Alter -, damit ein geriatrischer Fall vorliegt.

Vereinfacht dargestellt, steht der "geriatrische Versorgungsbedarf" also auf drei Beinen: Zweimal handelt es sich um Patienten, die älter als 70 Jahres sind - plus Pflegestufe oder ein typisches Alterssyndrom - und einmal gilt im Zusammenhang bestimmter neurologischer Erkrankungen keine Altersbeschränkung.

Dokumentation lässt sich vereinfachen

Dieser geriatrische Versorgungsbedarf muss natürlich auch dokumentiert werden. Dies ist unter Punkt 2 der Allgemeinen Bestimmungen ausdrücklich gefordert: "Die Berechnung der Gebührenordnungspositionen 03360 und 03 362 setzt die Angabe eines ICD-Kodes gemäß der ICD-10-GM voraus, der den geriatrischen Versorgungsbedarf dokumentiert."

Tipp: Damit Ihnen die Dokumentation keinen allzu großen zeitlichen Aufwand bereitet, sollten Sie sich angewöhnen in Ihrer EDV mit Textbausteinen zu arbeiten. Das vereinfacht die Dokumentation und auch die korrekte Abrechnung der entsprechenden Leistungspositionen mit der geforderten ICD-10-Verschlüsselung.

Bei Verwendung eines Textbausteine etwa für das geriatrische Basisassessment können Sie einfach das zutreffende geriatrietypische Syndrom auswählen und müssen dann nur noch die Ergebnisse des Testverfahrens zur Beurteilung der Selbstversorgungsfähigkeiten und zur Beurteilung der Mobilität und Sturzgefahr eintragen.

Ein Textbaustein für das geriatrische Basisassessment könnte beispielhaft wie folgt aussehen:

- motorische, emotionelle und kognitive Funktionseinschränkungen, desorientiert, Vergesslichkeit

- R26.2 - Mobilitätsstörung, Gangunsicherheit

- Z74.0 - Mobilitätsstörung mit Hilfsbedürftigkeit

- R41.8 - Kognitive Funktionseinschränkung

- F06.7 - Kognitive Störung, leicht

- R52.0 - Akutes Schmerzsyndrom

- H81.8 - Altersschwindel mit Gleichgewichtsstörung

- R29.6 -Fallneigung/Sturzneigung

- Barthel-Index: z. B. 70

- Timed "up & go", z. B. 10/20/25 Sek.

- Pflegestufe I / II / III

Dr. Dr. Peter Schlüter ist Allgemeinarzt in Hemsbach. Er hält seit mehr als zwei Jahrzehnten Seminare zu allen Themen rund um EBM und GOÄ. Zudem berät er Praxen in betriebswirtschaftlichen Fragen.

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