Gastbeitrag zum Punktzahlvolumen

Ein Potemkinsches Dorf

Individualbudgets oder individuelle Punktzahlvolumen sollen in manchen KVen die Lösung der Honorarprobleme für Vertragsärzte sein, heißt es. Doch letztlich ist alles schon einmal da gewesen - samt eines mathematischen Hakens.

Von Peter Schlüter Veröffentlicht:
Voller Topf ohne Deckel - bloß nicht beim Arzthonorar.

Voller Topf ohne Deckel - bloß nicht beim Arzthonorar.

© nucro / fotolia.com

Mit dem Versorgungsstrukturgesetz hat der Gesetzgeber den KVen die Möglichkeit gegeben, das System von Regelleistungsvolumen (RLV) und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) zu verlassen. Dafür konnten eigene Honorarverteilungsmaßstäbe (HVM) verhandelt werden.

Ärzten wurde damit in einigen KVen ein neues Honorarsystem vorgestellt, zuerst in Rheinland-Pfalz und Thüringen, weitere KVen sind seitdem dazu gekommen. Anstelle von RLV und QZV sollen die Leistungen mit einem individuellen Punktzahlvolumen (PZV) und einem festen Punktwert von inzwischen 10,13 Cent vergütet werden.

Das kommt mir doch sehr bekannt vor. "Feste Preise", "fester statt floatender Punktwert", Leistungshonorierung in Euro und Cent und Schluss mit dem floatenden Punktwert. Schon mit der Einführung des so genannten "Euro-EBM" im Jahre 2009 wurde den Ärzten vorgegaukelt, dass ärztliche Leistungen fortan in "harten" Euro vergütet werden und die Zeiten des floatenden Punktwertes vorbei seien.

Dazu wurde auch stolz von der damaligen KBV-Führung der festgesetzte Punktwert von seinerzeit 3,5001 Cent vorgestellt und als großer Verhandlungserfolg gepriesen. Jetzt das gleiche Bild, unter den neuen Vorgaben der Individualbudgets: Es wird ein fester Punktwert vorgegaukelt!

Nur für geübte Mathematiker nachvollziehbar

Doch schon damals hatte das einen mathematischen Haken, der den Ärzten allerdings nicht bewusst wurde. Hatte man doch alles daran gesetzt, die mathematischen Berechnungsgrundlagen so zu formulieren, dass es für einen weniger geübten Mathematiker nicht einfach nachvollziehbar war.

Voraussetzung für die Honorierung der Leistungen in harten Euro war seinerzeit die Einhaltung des RLV. Wurde dieses RLV überschritten, bedeutete dies, dass der Arzt eben mehr Leistungen erbrachte, als ihm an Honorar zur Verfügung stand.

Somit wurden diese "Mehrleistungen" nach einer "Abstaffelungsquote" honoriert, festgelegt im HVM der KV. Was, bitte schön, ist denn das, wenn nicht ein verkappter floatender Punktwert?

Doch damit nicht genug. Die Verschleierungstaktik sollte durch die Einführung der QZV zum RLV noch weiter vertieft werden und dem niedergelassenen Arzt die heile Welt des "Euro-EBM" vorspielen.

Es war fürs Gesamthonorar völlig unerheblich, ob dieses mit Leistungen aus dem RLV oder mit Leistungen aus dem QZV erwirtschaftet wird. Es wurde so letztlich suggeriert, dass Ärzte mehr Umsatz bzw. mehr Honorar erwirtschaften könnten.

Aber: Wenn man das Gesamthonorar überschritten hatte, floatete der Punktwert eben doch, mathematisch gesehen. Wer sich innerhalb des Honorarvolumens bewegt, wird in harten Euro vergütet. Wer aber mehr Leistung erbringt, wird abgestaffelt honoriert. Kurz: Es gibt weniger für die gesamte Leistungsmenge.

Schauen Sie hinter die Kulissen!

Und jetzt: das individuelle Punktzahlvolumen (PZV) oder Individualbudget. Wieder ein erneuter Versuch, uns Ärzten zu vermitteln, dass wir fortan für einen festen Punktwert arbeiten. Nicht mehr RLV und QZV werden zugeteilt, sondern jetzt kommt das PZV.

Die Mengenbegrenzung basiert nun auf der tatsächlich erbrachten Leistungsmenge, nicht mehr einem festgelegten Fallwert. Das PZV wird dann mit einem festen Punktwert vergütet. Aber das Honorarbudget bleibt!

Schaut man hinter die (finanziellen) Kulissen, wird man feststellen, dass bei gleichbleibender Punktzahlanforderung der Ärzte das Honorarvolumen gar nicht ausreichen würde, alle Leistungen zum festen Punktwert von 10,13 Cent zu honorieren.

KV-regional unterschiedlich reicht das Geld für etwa 75 bis 80 Prozent der Leistungen aus. Das heißt, die KVen können auch nur einen Teil der Punktzahlanforderung zu einem festen Punktwert honorieren. Was darüber hinaus geht, wird dann wieder mit einem abgestaffelten Punktwert vergütet.

Damit sind wir wieder zurück im Jahr 1987, als die Mengenbegrenzung begann: Punktzahl mal Punktwert gleich Honorarsumme. Die Honorarsumme jedoch bleibt ungewiss, da der Punktwert die große Unbekannte in dieser Berechnung ist. Neu sind nur die Begriffe, der Punktwert floatet munter weiter.

Zur Person: Dr. Dr. Peter Schlüter, Allgemeinmediziner in Hemsbach, hält seit mehr als zwei Jahrzehnten Seminare zu allen Themen rund um EBM und GOÄ.

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