Methadon-Prozess: Arzt nennt Anklage ungeheuerlich

BAYREUTH (dda). Die Staatsanwaltschaft Bayreuth wirft einem Arzt für Psychiatrie vor, sechs Jahre lang aus Gewinnsucht Heroinabhängige mit Methadon leichtsinnig versorgt und damit gegen die Richtlinien der Bundesärztekammer verstoßen zu haben. Nach dem Prozessauftakt in der vergangenen Woche vor dem Bayreuther Landgericht nahm der Arzt nun vor Gericht zu den Vorwürfen Stellung.

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Dem 65-Jährigen wird unter anderem vorgeworfen, dass er seinen Patienten schon nach kurzer Zeit - ohne die vorgeschriebenen Gesundheits- und Abhängigkeitskontrollen - Methadon-Rezepte ausgestellt und zum Teil gleich mehrere Rationen mit nachhause gegeben haben soll. Aufgrund des guten Rufs unter den Süchtigen soll der Arzt seine Patientenanzahl extrem gesteigert haben.

Vehement wies der Angeklagte nun vor Gericht die Vorwürfe zurück. "Die Anklage ist abwegig und ungeheuerlich", erklärte er. In den Jahren 2003 und 2004 habe ein Arzt aus der Region seine Praxis wegen Verschreibungsmissbrauchs schließen müssen. Da es in Oberfranken kaum Substitutionsärzte gebe, hätten ihm die nicht mehr Versorgten die Praxistüren eingerannt. In nur kurzer Zeit sei die Anzahl seiner süchtigen Patienten von einst 50 auf 220 gestiegen.

Da ihm sein Vorgänger keine Krankenunterlagen überlassen hatte, habe er sich bei der Methadonvergabe auf die Mengenangaben der Patienten verlassen. "Ich habe ihnen einen Vertrauensvorschuss gegeben". Auf die übliche tägliche Einnahme in der Praxis habe er oft verzichtet, da die Abhängigen häufig weite Wege zur Praxis hatten oder beruflich verhindert waren.

Der Angeklagte kritisierte, dass die Richtlinien der Bundesärztekammer auf dem Land wegen fehlender öffentlicher Verkehrsmittel gar nicht befolgt werden könnten. Die Behörden hätten lange Zeit seine Verordnungspraxis gekannt, aber wohl aufgrund der Unterversorgung in der Region nichts unternommen. Immer wieder habe er auf die Versorgungsmissstände hingewiesen. Erst als im Bayreuther Bezirksklinikum eine erste oberfränkische Institutsambulanz errichtet wurde, habe man gegen ihn die Vorwürfe erhoben, die zur Anklage führten.

Oftmals habe er versucht, seine Patienten in die Klinik zu schicken, diese hätten sich jedoch geweigert zu wechseln. Er habe auch versucht, Patienten an andere Ärzte zu verweisen; alle hätten die Übernahme abgelehnt.

Vor Gericht klärte ein Sachverständiger über die Methadonsubtitution auf. Der angeklagte Arzt hätte vor einer Verordnung des Heroinersatzstoffs zumindest einfache Urinuntersuchungen durchführen müssen, um zu wissen, ob die Patienten auch noch andere Drogen konsumierten. Die zusätzliche Einnahme von Methadon bei Mehrfach-Abhängigen könnte ansonsten tödlich enden. Take-Home-Rezepte hätten erst nach sechs Monaten kontrollierter Einnahme verschrieben werden dürfen.

Das Urteil ist für November geplant. Dem Arzt droht eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren.



STICHWORT

Pflichten für Substitutionsärzte

Ärzte, die Methadon substituieren, müssen nach Angaben der Bundesärztekammer unter anderem folgende Pflichten erfüllen:

  • Eingehende Eingangsuntersuchung
  • Erstellung der Anamnese und einer genauen Diagnose
  • Prüfung der Eignung des Patienten für eine Substitution
  • Aufstellung eines Behandlungs-konzepts und eines schriftlichen Therapieplans
  • Verlaufskontrolle
  • Kontinuierliche Ermittlung des Beigebrauchs. Das heißt, Ärzte müssen überprüfen, ob der Patient noch andere Suchtmittel nimmt.
  • Prüfung der Voraussetzungen für eine Take-Home-Verordnung (Abgabe erst nach sechs Monaten)
  • Psycho-soziale Betreuung
  • Dokumentation des Behandlungsverlaufs  
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